Es war ein nicht endendes Ohnmachtsgefühl dass durch die Glieder jagte und Arme und Beine so unendlich schwer machte, dass er Stunden nicht die Kraft dazu gefunden hatte aus seinem Versteck unter dem Bett hervorzu kommen. Um welche Tageszeit es sich handelte war dabei unwichtig. In dem kleinen Raum gab es kein Fenster, sondern nur eine warme Deckenleuchte die brennen musste..selbst wenn es Omega lieber gewesen wäre seine Augen mit Dunkelheit zu schonen. Auf dem kleinen Tisch neben dem einsamen Bett gab es noch eine kleine Leuchte die jedoch nie benutzt wurde. Sie sorgte nur für äußerst indirektes Licht und ähnelte mehr einem winzigen künstlichen Aquarium. Schüttelte man die Lampe blubberten bunte Plastikfischchen auf und verliehen dem kahlen Raum, indem sich mittig nur noch ein Stuhl befand einen befremdlichen Touch Normalität. Wenn man nicht wusste, dass er vor kurzem einer Gefangenschaft entrissen wurde könnte man meinen der Junge befinde sich in einem nicht aufhörenden Albtraum. Für ihn war es jedoch überlebenswichtig nicht aus diesen gewohnten Umständen entrissen zu werden.
Dr. Kugami hatte deswegen auch einen fensterlosen, möglichst dunklen Raum angefordert und sah wann immer er konnte nach dem Jungen für dessen Zustand er verantwortlich war. Heute stand er deswegen einmal mehr vor dem Sichtglas, dass auf Seiten des Jungens nur das Bild eines blinden Spiegels wiedergab- in dem er sich nur stumpf sehen konnte. Der Wissenschaftler, der dem ansässigen Arzt die meiste Zeit des Tages über half oder Studien weiterführte- wirkte nachdenklich. Seine Hand ruhte auf dem Glas, über seine Alltagskleidung hatte er einen weißen Kittel gezogen. Seine Augen waren klein, die dunklen Ringe darunter waren Schatten seiner Übermüdung- gleich den einfallenden Wangenknochen. Dennoch hielt er würdevoll alles an Sträke zusammen was er aufbringen konnte um seine Haltung und den kühlen Blick zu bewahren, der ihn für andere unnahrbar machen sollte. "Gab es heute irgendwelche Veränderungen?" wollte er wissen und durchhallte die Stille des dunklen Raumes in dem nur gelegendlich piepen von Maschienen zu hören war. Das Licht der Warnleuchten blickte dabei ruhig.
Bevor er jedoch die Antwort abwarten konnte, sollte sich unter dem Bett etwas regen. Die schmale Gestalt seines Projektes sollte hervorkriechen, und mit den Armen langsam so aufrichten, dass er auf den Knien sitzen konnte. Hinter ihm kam eine Decke zum Vorschein und löste die Anspannung des Wissenschaftlers etwas. Der Junge hatte nicht frieren müssen. "Omega.." formten die Lippen des Wissenschaftlers tonlos, während die trüben Augen des Jungens sich uninteressiert in dem Raum umsahen. Unbewusst hatte sich auch die zweite Hand an das Sichtglas gelegt. Die Stille mischte sich erdrückend unter den anschwellenden Herzschlag wohl aller Anwesenden. Zumindest kam es dem Doc so vor.. Der Junge begann sich währenddessen aufzurichten. Seine Schritte wirkten mehr als brach und ungelenk. Seine Blicke galten dabei immer der Luft um ihn herum- als würde er sich von dieser tragen lassen..oder führen. "Schalten sie mich zu ihm?" bat Kugami mit einem Blick zur Seite und wartete darauf dass man seiner Bitte nachkam. In Omegas Raum kündigte sich dies mit einem knistern an, dass ihn dazu brachte die Augen weit aufzureisen und wachsam zu werden. "Omega, ich bin es." folgte dem knistern und ließ die aufgestiegene Hitze rapide wieder absacken, so dass die transparente Haut schon ganz blau wurde. "Keine Panik." sprach der Doc dann wieder zu den mit anwesenden. "Das sind ganz normale Reaktionen.." wollte er sich vergewissern,dass alle bei Ruhe blieben. Omega indess hatte das Laken, dass er umsich geschlungen hatte enger ansich gezogen und blickte auf die Scheibe. "Wie geht es dir?" fragte der Doc dann wieder leise, und brachte den Jungen dazu noch ein paar Schritte auf das Glas zuzugehen.
"Ich sehe dich." sprach der Junge mit leerem Blick. Seien Lippen bildeten danach wieder eine geschlossene Einheit. Der Doc indess zeigte keine Verwunderung. "Sind deine Augen besser geworden?" fragte er an. Der Junge hob nur den Kopf und legte ihn dabei leicht seitlich. Fast so, als würde er nach der Stimme suchen die er vernahm. "ja.."murmelte Omega weiterhin im verletzlichen Ton seiner Stimme. Man brachte es unter normalen Umständen garnicht übersich, den Jungen zu unterbrechen. Man hatte angst, man würde ihn dadurch verletzen. "Möchtest du deine Brille wieder haben?" fragte der Junge überrascht an, und brachte Kugami dazu, die Stirn zu runzeln. "Aber sie war doch ein Geschenk. Du kannst sie behalten." sprach er erst, nachdem er sich aus seiner Verwunderung gefasst hatte. "Kommst du bitte zu mir?" Bat der Junge dann. Sein schwarzes Haar hing ihm dabei tief in die Augen. Der Doktor sah aber auch nichts, was dagegen sprach zud em Jungen zugehen.. bis auf das Schuldgefühl das er immer versuchte von ihm fern zu halten. Es war schlimmer geworden, seitdem er mit Omega in das 'du' verfallen ist. Die Distanz die zwischen ihnen lag wurde immer geringer und forderten den Arzt immer wieder darin nicht in seinen Gefühlen einzubrechen. Er musste durchhalten- und zwar aus dem einfachen Grund der einzige zusein, der dem Jungen aus Erfahrung helfen konnte. "Moment.." versuchte er sich aus dem Gedanken zu reißen, und ließ sich in das Zimmer eintritt verschaffen.Im Gegensatz zu vielen anderen hatte er nicht die große Angst dass Omega ihm etwas tun könnte. Bewusst oder unbewusst. Er war sich einfach sicher, dass er noch nicht dafür bestimmt war sein Ende zu finden. Nun waren es die Beine des Docs die ganz schwer wurden, als er auf den Jungen zu schritt. Aus seinem Laken-Umhang zog dieser schließlich die Brille. "Aber das war doch ein Geschenk." murmelte der Arzt wieder, und hob die Hand um die Brille dem Jungen wieder langsam entgegen zu schieben. Dieser nickte, untermalte jedoch seine Geste mit einem Gegendruck. "Selbst blinde brauchen Augen um in die Zukunft zusehen." sprach er mit der selbstverständlichkeit aus, mit der man den blauen Himmel beschreiben könnte. "Du brauchst sie dringender." fügte er dann schwerfällig an. Reden erforderte große Mühe, von der er sich immer erholte wenn er in seinen eigenen Geist abtauchte. Im Moment war dies jedoch nicht der Fall. Die Medikamente verhinderten nicht nur anrollende Angstzustände die für ihn und andere tödlich sein konnten- sondern fast jegliche Akivitäten die sein Kopf ihm sonst bot. Es war einfach alles schwer..ohne dass er jedoch darüber einen Gefühlszustand entwickeln konnte. Das war nicht im Interesse des Docs geschehen.. jedoch von der Notwendigkeit unterstrichen die dem Jungen das Leben sicherte, nachdem sich die Umstände drastisch verändert hatten. Der Doc nahm die Brille schließlich an..wenn er auch nicht bewusst greifen konnte was der Junge ihm vermitteln wollte. "Du wirst es gut haben. dir wird niemand mehr weh tun.." versuchte der Doc weiterhin sanft zu dem Jungen zu sprechen nachdem er heruntergeschluckt hatte und die Brille wieder aufsetzte. Sie war noch ganz warm. "Niemand..mehr." wiederholte der Junge, als ob er nicht richtig verstanden hatte. Er sah dem Doc dabei in die Augen..so lang dass man meinen konnte, er würde in seinen Verstand eintauchen.
Nach einer weile schüttelte er den Kopf, als würde er sich von dünnen, klebenden Fäden befreien. Das war zumindest der Vergleich der am meisten auf das Gefühl dieses Zustandes zutraf. Auf eine Art und Weise einseitig..unangenehm aber bindend. "Blut fließt von der einen Hand zur anderen.. aber niemand begreift dass." sprach er belehrend, als wäre in dem kleinen Körper der Geist eines viel älteren Menschens. "Das ist keine Welt für mich .. nicht so wie ich es mir erträume. Sag.." unterbrach er mit dem schließen seiner Augen bevor er wieder aufsah. "Würdest du, wenn du könntest deine Erinnerungen neu schreiben?" ließ er dem Doc die Zeit sich auf die Frage zu konzentrieren.."Ich würde vieles nicht tun.." war es nur für Omega merklich, dass der Arzt der ihn das ganze Leben über begleitet hatte, unsicher war. "Dann fang damit doch an.." war es für Omega ganz klar. "Bitte?" Der Doc zog nur die Augenbrauen zusammen. " Verzeihe dir, ansonsten hat kein Opfer an Wert. Kein Leben kommt zurück, weil du deines anhällst." Angestrengt von den vielen Worten die er bilden muss um sich ausdruck zu verleihen, wurde der Druck in seinem Kopf langsam immer größer. Das pfeifen in seinen Ohren brachte Omega dazu, zum Stuhl zu taumeln und sich auf diesen sinken zu lassen. Besorgt war Kugami ihm nachgeeilt und versuchte ihn davon abzuhalten zu stürzen. "Ich verstehe es einfach nicht." schüttelte der Junge immer wieder den Kopf und hielt sich diesen mit beiden Händen. "Jeder hat doch die Möglichkeit dazu, jeder!" schien er ganz verzweifelt. Sein Gesicht zeigte Schmerzen auf die sich auf Stirn und Mundwinkeln abzeichneten. " Ich ertrage das alles nicht. Der Alptraum ist ist viel zu groß. Und du lässt mich nicht gehen!" traute er sich vorwurfsvoll Kugami wieder anzusehen. Seine Augen schwammen in Tränenflüssigkeit, während der Doc sich von einer Arzt Schock zurückgedrängt fühlte. Es durchzog ihn wie ein Sog, eine Ströhmung die ihn dazu brachte sein Gleichgewicht zusuchen, und mit Übelkeit zu kämpfen. "Omega.." versuchte er den Jungen zu erreichen und klammerte sich an die Lehne des Stuhls , während er sich mit der anderen Hand von der freien Ecke der Sitzfläche abstützen musste. "Ich habe dir etwas versprochen, wir haben uns was versprochen, hörst du?" versuchte der Doc ihn zu erreichen, doch der Junge schüttelte nur weiterhin verzweifelt den Kopf. "Ich merke es aber nicht! Ich hatte vorher nur mich, nun bin ich nicht mehr allein aber kann auch nicht am Leben teil haben. Ich darf es sehen ohne zugriff darauf nehmen zu können. Es ist wie die Sicht aus einem Spiegel und es macht mich krank! Ich finde mich nicht mehr, und ich finde auch sonst nichts! Außer die traurige Erkenntniss dass mir diese Welt zu fremd ist um darauf leben zu können.." erstarb die Stimme des Jungens und er sackte noch ein Stückchen mehr in sich zusammen. Er wusste dass sein Herz ihm weh tun musste- ohne es auch nur verschwommen zu spüren. Dem Doc wurde damit erst langsam klar, dass die Medikamente vielleicht zu hoch dosiert worden waren, und den Jungen nicht nur daran hindern sich zu verletzen, sondern ihn vorallem verwirrten. Es schmerzte ihn dabei zusehen , wie der Junge sich damit quälte- und er spürte gleichzeitig die Angst was geschehen könnte wenn man dem Jungen mehr Raum für seinen Geist gab. Er konnte nicht abschätzen, wie weit er war. Sein Einfühlsungsvermögen war äußerst beschränkt nach den vielen Abstumpfungen die es erfahren hatte.. und doch wünschte er sich einmal mehr in den Kopf des Jungens sehen zu können.
Dabei wurde ihm der Fleck auf seiner Brille bewusst. Er musste von Omegas Fingerabdrücken stammen..denn er hatte sie über einen ganzen Tag fest in den Händen gehalten. "Auch ein blinder braucht Augen um in die Zukunft sehen können.." wiederholte er dabei den Satz den er zuvor von Omega selbst gehört hatte, und das schluchzen des Jungens sollte damit zumindest etwas ruhiger werden. "Ich werde dir helfen..du wirst hier nicht länger fremd sein.." fuhr er leise fort. Der Junge schniefte nur unglücklich.. geschafft vom Gefühlsausbruch den er nicht wahrnehmen konnte. "Ich bin so müde.."klagte er dann, ohne weiter darauf einzugehen was der Doc ihm sagte. Dieser löste sich nur vom Stuhl damit Omega aufstehen konnte. Er begleitete den gebeugten Jungen zu seinem Bett und hielt ihm die Decke auf, damit er darunter schlüpfen konnte. Kugami wusste, dass er mehr vertrauen musste. Auf sein Gefühl- und dass nicht nur bei Omega. Zunächst würde er die Meditation reduzieren.. und er glaubte auch dass es gut wäre, Omega mit etwas anderem zu konfrontieren als ihn mit seinem Schuldgefühl. Es könnte dem Jungen gut tun, einen guten Freund zufinden. Die Frage war nur, wie sich das bewergstelligen ließ, wenn ein jeder angst hatte Omega zu verletzen oder zu reizen. "Schlaf gut.." wünschte Kugami leise, und strich über das Köpfchen dass sich unter der Decke abzeichnete. Dann verließ er den Raum der sich hinter ihm wieder verschloss. Ein seufzen machte sich Luft und seine Schultern wurden einmal mehr schwer. " Wenn er wieder wach wird, bringt ihm bitte etwas zu essen. Ich muss in die Praxis. Sollte etwas sein... Sie wissen wo sie mich finden können." würgte er knapp ab, ohne Antwort zu erwarten und verließ den Beobachtungsraum. Seine Schicht würde ihn zumindeest ein bisschen ablenken während er darüber nachdenken konnte, wie er dem kleinen Wesen helfen konnte..für dass er verantwortlich war.
Jeder seiner Schritte die ihn vom Beobachtungsraum entfernten erfüllten ihn mit immer mehr schwere. Es war dabei nicht die Hilflosigkeit die sich dabei an ihm zehrte. Es war dieses eigenartige Gefühl dass ihn immer stärker beschlich seitdem er sich bewusst gemacht hatte was er im laufe seines Lebens geleistet hatte. Er dachte an Natasha und ihre Gespräche.. Die nächste Ecke wurde so unüberwindlich, dass er sich mit der Schulter an die Wand lehnte um in dem schmalen Zwischengang zu verschwinden. Seine Augen gaben nur noch ein verschwommenes Abbild seiner Umwelt preis, während sie auch noch brannten. " Habe ich denn gesagt dass er nur Suppen verträgt? Was ist wenn sie ihm etwas zu fettiges geben, dass isst er doch nicht.. Und wenn.." Der sonst so gefasste Doc stoppte. Er schüttelte sich und trotzte dem Wunsch wieder zu versinken mit hartem Blick. Es war zumindest der Versuch dessen- schnell sollte die Schwäche ihn wieder einholen, und ihn für einen Moment an diesem stillen Ort verharren lassen..
It's not about conformity It's abuse of individuality It's insanity, it's reality It's the promised land of hypocrisy
Als Natasha die Praxis betrat, kam sie nicht besonders weit, ohne von einem ziemlich blassen, farblosen Jungen gestopt zu werden. Unter normalen Umständen hätte sie ihn überhaupt nicht bemerkt, so unscheinbar und farblos war er. "Was?" fragte sie. Sie hatte erst gar nicht registriert, dass der Junge etwas gesagt hatte. "Ich habe gesagt: 'Der Doc ist nicht da.'" wiederholte er ungeduldig und zeigte damit mehr an Emotion und Widerstand, als Natasha anhand des Aussehens vermutet hätte. Erst hoben sich ihre Augenbrauen überrascht, dann zogen sie sich jedoch unmittelbar drohend zusammen. Auf den zweiten Blick gefiel ihr der patzige, neunmalkluge Tonfall gar nicht. "Aha, und wo ist er dann?" fragte sie ärgerlich. "Weg." lautete die einsilbige, trotzige Antwort. Natasha musste einmal tief durchatmen, damit der plötzliche Zorn sie nicht überrollte. "Wann kommt er denn wieder?" fragte sie mit erzwungener Ruhe und kam sich langsam albern vor. Nicht nur, dass sie mit einem närrischen Teenager streiten musste, sie hatte auch noch eine kleine Tupperschüssel auf dem linken Unterarm drapiert und eine etwas größere Papiertüte darüber gelegt. "Weiß nicht.. eigentlich sollte er schon wieder da sein." meinte der Teenager dann, von dem Natasha sicher war, ihn nie zuvor gesehen zu haben. Sie war es jedenfalls leid, sich weiter mit ihm herumzustreiten. "Naja... egal." sagte sie daher und machte energisch zwei Schritte nach vorn. "Ich geh jetzt rein und warte in seinem Büro auf ihn. Irgendwann wird er schon kommen." Sie sah dabei so grimmig aus, dass sich der Junge gar nicht traute, etwas dagegen zu sagen. Hätte er es gewagt, sie in irgend einer Form aufzuhalten, hätte sie unter Garantie die Tupperbox dazu benutzt, ihn niederzuschlagen. Wenn sie den Kerl dabei verbrüht hätte, hätte ihr das auch kein bisschen leid getan. Irgend einen Sinn musste der Inhalt ja schließlich erfüllen...
Sie wusste gar nicht so genau, was sie überhaupt dazu bewogen hatte, Kyou etwas zu essen zu bringen. In der Tupperbox war warme Suppe, die Papiertüte enthielt frisches Backwerk, das sogar noch ein wenig warm war. Auch wenn sie keine Gelegenheit ausließ, Kyou Vorhaltungen zu machen oder ihn zu konfrontieren, suchte sie hin und wieder seine Gesellschaft. Sie konnte es nicht genau erklären, und vermied es auch groß darüber nachzudenken. Oberflächlich betrachtet war er eben der Erste und seither fast die einzige Person, die sie näher kennengelernt hatte.. ein verblichener, kümmerlicher Teil ihrer ehemaligen Persönlichkeit machte sie wohl etwas daraus, wie es ihm ging. Auch wenn sie abgehärtet und verhärmt war, es gab immer einen wenn auch noch so winzigen Teil, der auf seine tiefen Augenringe und die eingefallenen Wangen reagierte. Sicher, er war ein Mann, und auch die schlimmsten Menschen konnten schlecht aussehen... Sie seufzte und stellte ihre Mitbringsel auf dem Tisch ab. Der alte Rebellenarzt war nicht da, war irgendwo anders gebracht worden im Moment, wahrscheinlich war Kyou deswegen aufgehalten worden, oder aus irgend einem anderen Grund. Sie konnte nichts anderes machen, als den Tisch von einigen Daten-Chips zu befreien und stattdessen für zwei zu decken.. so konnte sie wenigstens sicher sein dass er etwas aß. Es war die einzige Art, wie sie irgendwie Anteilnahme auszudrücken wusste. Sie sah sich außer stande, ihn auf irgend eine andere Art aufzufangen, auch wenn ein Teil von ihr sehen konnte, dass er das wohl dringend gebrauchen könnte.
Kyou musste sich letztendlich doch von der Wand lösen die ihm für einige Minuten trost und Zuflucht geschenkt hatte. Eine andere Möglichkeit hatte er nicht. Manchmal- so wie in diesen Momenten wünschte er sich die Gabe seines Schutzbefolenen, ganz in Gedanken abtauchen zu können. Vielleicht konnte man sich dabei vom schmerzenden Körper trennen.. aber bei ihm wäre es , insofern es funktioniert hätte wohl gefährlich geworden..denn er hätte wohl ab einem gewissen Punkt einfachz aufgehört zurückzukehren.
Jetzt holte ihn jedoch sein Verantwortungsbewustsein ein. Er holte ein paar Mal tief Luft, bis der Atem nicht mehr zitterte und rückte sich die Brille gerade. Den kleinen Fleck übersah er dabei, da ihm einige blonde Strähnen vor das Auge gefallen waren. Er straffte seine Haltung und suchte schließlich den Weg zurück in die Praxis, in der er heute allein tätig war- sah man von der jungen Aushilfe inform eines Teenagers ab, der ihm kleinere Aufgaben abnehmen sollte- und vorallem Patienten mitteilen sollte, dass er nicht lang der Praxis fern blieb. Naja.. etwas länger war es schon geworden- glaubte der Arzt und räusperte sich. Die Kravatte hatte er etwas gelockert..aber auch das half nicht gegen den blassen Ton der Haut und den geröteten Augenlidern. Er sah wirklich furchtbar aus- meinte er zu beurteilen als ihm im vorbeigehen sein eigenes Spiegelbild öfter durch Glasscheiben streifte. Aber wenn er jeden nur ernst genug ansah, würde schon keiner auf die Idee kommen ihn zu fragen ob etwas nicht stimmte. Er konnte nur noch dafür beten dass dieser Tag schnell vorbei ging- denn er fühlte sich miserabel.
"Ich bin zurück.." teilte er sich mit tiefer Stimme mit und suchte den Jungen den er in der Praxis zurückgelassen hatte. "Es hat etwas länger gedauert.. gab es irgendwelche Komplikationen?" Fragte er an und schüttelte die Schultern auf. Das ihm dabei erzählt wurde er würde in seinem Büro besuch erwarten, registrierte der Doc erst nach einigen Sekunden die es brauchte um seinen starren Blick wieder auf den Jungen zu richten. "Wie bitte?" konnte er garnicht glauben. Seine Augenbrauen zogen sich misstrauisch zusammen- selbst wenn er sich noch so elend fühlte und betätigte den Knauf der Tür, die zum kleinen Büro führte. Dort sollte er zu aller Überraschung Natasha vorfinden- die letztlich auch der Grund für den entgeisterten Gesichtsausdruck sein sollte. "Natasha.." stellte er blinzelnd fest. Es war ihm auf den zweiten Herzschlag etwas unangenehm ihr so zu begegnen.. er konnte nur darauf hoffen dass sie keinen radikalen Imagewandel erfahren hatte und seinem Zustand viel demonstrative Beachtung schenkte. Dann erst konnte er sehen dass sie gedeckt hatte und es im Raum würzig duftete.. "was.." Kyou musste dabei erneut blinzeln, wobei ihm sehnlichst bewusst wurde wie sehr er ihren Besuch schätzte. Es würde keinen ungünstigeren..und günstigeren Zeitpunkt zugleich geben. Er konnte sich nur auf einen Stuhl fallen lassen- ohne das schöne Gefühl zu umschreiben dass tröstend sich über sein Herz gelegt hatte. "Das sieht gut aus.." bedachte er den Anblick der Suppe. "Warten sie schon langt?" wollte er mit einem weiterhin fragendem Blick in Erfahrung bringen- bevor sein Magen sich wieder mit stechen füllte. Er musste daran denken, dass Omega soetwas ebenfalls mochte..
I trampling on your dreams Before they stand in the way of mine
Natasha war ein wenig im Büro herumgewandert. Sie hatte das ein oder andere Bild zurecht gerückt, das schief gehangen hatte, ein paar Bücher und Fachblätter sortiert und beiseite gelegt... Sachen die man eben so machte, wenn man in einer fremden Räumlichkeit auf den Besitzer wartete, und nebenbei einen mehr oder weniger stark entwickelten Ordnungszwang hatte. "Dass der in dem Chaos noch etwas findet.." wunderte sie sich über die Angewohnheiten des alten Docs. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Kyou für die Unordnung verantwortlich war, auch wenn er das Büro mitbenutzte. Der gedeckte Schreibtisch sah da schon gemütlicher aus mit den Porzellanschalen, die nur darauf warteten gefüllt zu werden. Die Papiertüte war inzwischen zum Korb umfunktioniert worden, da Natasha sie platt gedrückt und die verschiedenen Brötchen ansprechend aufgeschichtet hatte. Nichts vom gesamten Essen hatte auch nur im entferntesten ein Gesicht, in der Suppe schwammen nur Gemüse und kleine, dünne Nudeln. Sie gab ihre Wanderschaft durch den kleinen Raum schließlich nach einigen, gelangweilten Runden auf und setzte sich auf den Besucherstuhl. Glücklicherweise hatte der Teenager sich nicht sehen lassen und auch keine Versuche unternommen, sie vertreiben zu wollen; das wäre auch ganz und gar zwecklos gewesen.
Natasha stand erst dann wieder auf, als sich die Bürotür öffnete und Kyou eintrat. Sie hatte sich zu ihm umgedreht und einen Schritt auf ihn zugemacht. Zu mehr kam es aber gar nicht, sie betrachtete ihn nur kritisch und brauchte nicht mehr als einige wenige Sekunden, um zu erkennen wie es um ihn bestellt war. Er sah furchtbar aus, geradezu katastrophal - hätte sie solche Worte benutzt, wäre die einzig treffende Beschreibung 'beschissen' gewesen - so jedoch deutete sie nur auf den gedeckten Tisch. "Na endlich, das hat ja gedauert." begrüßte sie ihn schroff, aber doch unterschwellig herzlich. Kannte man sie etwas näher, erkannte man doch den feinen Unterschied zwischen tatsächlicher Abneigung und widerwilliger Zuneigung, die bei ihr sehr nahe bei einander lagen. Über seinen Zustand verlor sie dabei kein einziges Wort sondern blickte stattdessen auf die kleine Uhr, die ihr Handgelenk schmückte. "Ach... es war gar nicht so lang, wie es mir vorkam." meinte sie dann großzügig und öffnete die Tupperschüssel, um die Suppe in den Schalen zu verteilen. Selbst als diese gefüllt waren, war die Tupperbox noch halb gefüllt. Es war dabei keine wirkliche Rücksichtnahme, die sie zum Zustand des Docs schweigen ließ, viel mehr vertrat sie einfach die Meinung, dass jeder mit seinen Problemen selber fertig werden musste. Wenn er von selbst nichts sagte, würde sie auch nichts sagen. "Ich hoffe sie haben hunger. Die Brötchen sind ganz frisch, genauso wie die Suppe." Sie versuchte gar nicht erst, eine Erklärung zu finden warum sie ihm etwas zu essen brachte. Sie tat es gelegentlich, zum einen weil sie glaubte, er könnte es vertragen, zum anderen aber auch weil sie es hasste, in Gesellschaft zu essen. Der Speisesaal behagte ihr deswegen überhaupt nicht, und da sie ihr Zimmer teilen musste, fanden sich dort auch zumeist schwatzende Frauen. Sie profitierte also auch davon, wenn sie mit Kyou zusammen aß..
Der Doc hätte vor wenigen Minuten noch nicht an hunger denken können. Nun wo ihm langsam der Duft in die Nase stieg und er sich von der angenehmen Atmosphäre überzeugen konnte, war auch der Appetit zurückgekehrt. Zumindest weit genug um eines der frischen Brötchen in die Hand zu nehmen und es in der Mitte zu zerteilen. Die eine Hälfte legte er neben sich an den Rand des Tellers, während er dass andere Stück in die dampfende Suppe tauchte. "Dann bin ich ja beruhigt.." war die Belustigung garnicht so genau aus seinen Worten herauszuhören gewesen, als sie meinte garnicht solang gewartet zu haben, wie es ihr vorkam. Ein kleines Lächeln huschte ihm dabei über die Lippen- dann musste er aber auch schon mit gleichbleibender Minie aufsehen. "Sie haben sich die Zeit aber gut vertrieben." stellte er dabei fest. Er richtete sich die Brille um den Raum genauer in Betrachtung zu ziehen. "Wo sind die Datenchips?" konnte er sie zunächst garnicht entdecken. Zudem schien die Ablage gemacht worden zusein. Das brachte ihm zum Stirnrunzeln- und dazu wieder Natashas Blick zu suchen. Eine der geschwungenen Augenbrauen hob sich dabei. " Sie könnten glatt als Krankenschwester anfangen, insofern sich der Doc beruhigen wird nachdem sein System korrumpiert wurde." fand er es durchaus lustig, sich vorzustellen wie der ältere Arzt sich die verbliebenen Haare dabei raufen wird- wenn er seine Sachen suchte. "Ich finde es so durchaus angenehmer." gab er nur noch hinzu und kostete weiterhin von der Suppe die ihn innerlich erwärmte. Er musste sich dabei wieder fragen, warum Natasha ausgerechnet jetzt aufgetaucht war.. aber welche Gründe dazu geführt hatten- brachten sie ihm Beistand ein- und dass auf eine Weise mit der er umgehen konnte.
"Haben sie etwa selbst gekocht?" wollte er deswegen auch nicht seine Frage untergraben, und seine Probleme eine Weile ruhen lassen. Nur so konnte er sie nüchtern zu einem späteren Zeitpunkt aufgreifen und nach einer Lösung suchen. Es brachte Omega immerhin nichts wenn er sich weiterhin aufrieb. Er glaubte zumindest aber schon eine gute Entscheidung getroffen zu haben indem er dem Jungen weniger Medikamente zumutete. Sie zwangen ihn einfach in einem Zustand zu leben für den er noch nicht bereit war- oder vielleicht auch nie bereit sein würde. Er konnte nur hoffen das es noch Menschen gab die anders sein nicht so befremdlich fanden und sich davon abschrecken ließen. Er musste sich an die Hoffnung klammern, dem Jungen vielleicht kein normales Leben schenken zu können..aber vielleicht doch ein glückliches. " Ach.." versuchte er die Gedanken noch ein wenig zurück zu drängen. Ob er darüber reden wollte- war er sich noch nicht sicher. " Mein Praktikant sah im übrigen sehr verwirrt aus. Ich nehme an, sie kamen nicht gut miteinander aus?" wollte er dann lieber in Erfahrung bringen, und zwischendurch immer einen Löffel von der Suppe nehmen bevor diese kalt wurde.
I trampling on your dreams Before they stand in the way of mine
Natasha war selbst schon dazu übergegangen, ein Kornbrötchen in kleine Stücke zu zerrupfen und in die Suppenschale fallen zu lassen. Sie hatte zwar noch keinen gesunden Appetit, aber zumindest wieder einen halbwegs normalen Appetit. "Na, in der Schublade natürlich..." sagte sie schließlich zwischen zwei Bissen und gestikulierte mit der freien Hand über den Tisch. "Rechts oben, direkt neben ihnen. In dem kleinen schwarzen, dafür vorgesehenen Schächtelchen. Alle alphabetisch sortiert." nickte sie zufrieden. Wie man in einem solchen Chaos leben und tatsächlich noch etwas finden konnte, war ihr ein Rätsel. "Naja... ich weiß nicht ob ich ein besonderes Interesse daran habe, in absehbarer Zeit wieder meinen Dienst als Krankenschwester aufzunehmen. In Notfällen stehe ich natürlich immer zur Verfügung." meinte sie mit einem nachlässigen Schulterzucken, bei welchem man deutlich sehen konnte, wie die spitzen Knochen aus dem Stoff des dünnen Pullovers hervorstachen.
Auf Kyous Frage hin musste sie jedoch den Kopf schütteln. "Nein.. ich habe das Essen aus der Küche mitgenommen. Da steht ein ziemlich großer Kessel mit Suppe. Es sollen ja möglichst viele Leute davon satt werden.." überlegte sie, und kam dann aber wieder auf das zurück, was sie eigentlich hatte sagen wollen. "Eigentlich bin ich ja eine ganz passable Köchin, aber hier habe ich nicht so viel Möglichkeiten dazu. Und ich bin ganz und gar ungeeignet dafür, eine Großküche zu führen. In solchen Dimensionen zu kochen erfordert mehr als mein kulinarisches Verständnis." Tatsächlich probierte sie gern ein wenig herum, war bemüht das ein oder andere Rezept aufzuwerten oder abzuändern.. das gelang ihr nur im kleinen Rahmen, Töpfe mit Kilogramm genau bemessenen Zutaten waren ihr fast so zuwider, wie Gebäck mit Gesichtern. Sie schnaufte nur schwer und hob mahnend einen Zeigefinger. "Der sogenannte Praktikant mag ja die ein oder andere Fähigkeit besitzen, die mir bisher entgangen ist, aber er gibt eine sehr schlechte Figur als Empfangsdame ab." meinte sie verdrießlich. Dabei zeigte sie mit dem mahnenden Finger immer wieder auf Kyou, so als mache sie ihn für den mangelnden Empfang verantwortlich. "Ich weiß gar nicht, wofür sie ihn hier überhaupt brauchen. Er gibt nur patzige Antworten und keine Informationen. Nicht mal etwas zu essen hat er für Sie besorgt." tadelte sie immer weiter. "'Guten Tag Fräulein Natasha, wie geht es Ihnen heute? Der Doktor ist im Moment leider nicht da.' Das wäre doch einmal eine Vernünftige Begrüßung gewesen. Aber nein.." schloß sie verärgert und musste sogar den Suppenlöffel in die Schale zurücklegen, so empört war sie. "Da hängen sie doch nächstes mal lieber gleich ein Schild aus: Bin weg, komme irgendwann wieder. Mehr Informationen waren von ihrem Praktikanten auch nicht zu bekommen." war sie noch immer - oder eher schon wieder - ärgerlich und musste die Arme vor dem Bauch verschränken.
Kyou würde nach dem Ende seiner Schicht abwarten wollen, nur um zusehen wie der Doc auf sein neu geordnetes Büro reagierte. Sicher würde er das alles ihm in die Schuhe schieben und ihn dazu mahnen, wohl zu viel Zeit gehabt zu haben. Bis er ihm erklären könnte wie es zu dem sauberen Büro kam- würde der Doc schon ordentlich wettern und ihn garnicht zuwort kommen lassen. Aber auf eine Art und Weise war dies einfach witzig gewesen. Ein so gebildeter und schlauer Mann fand seine Defizite in einem Meer aus Chaos- und fand sich darin auch noch zurecht. "Bisher gab es glücklicher Weise keine großen Notfälle. Nur nach den Rettungsaktionen gab es die ein oder andere Sache zu nähen.. aber dank der guten Organisation bahnen sich hoffentlich auch zukünftig keine großen Katastrophen an." wollte er abschwächen. Die Suppe hatte wirklich einen guten, abgerundeten Geschmack und sorgte mit der erhohten Temperatur für ein wenig Farbe auf Kyous Haut. Das brachte ihm dem menschlichen Zustand immer näher- sah man von den geröteten Augen ab die sich bei jedem blinzeln bemerkbar machten. "Ach sie kochen? Was denn so?" wurde Kyou wieder aufmerksam. Er war eher ein Zuhörer, als ein großer Redner- glaubte er damit festzustellen. Anders verhielt sich dies wenn ihn schöne Erinnerungen einholten.. "Mein kochen beschränkte sich auf alles klein schneiden und in einen Topf werfen, bis es warm ist.. und das ließ sich auf so ziemlich alle Lebensmittel ausweiten die mein Kühlschrank her gab. Vor meinem Studium habe ich das gern getan, weil das meinem Bruder geschmeckt hatte. Einmal waren meine Eltern verreist und ich auf einem drei- tägigem Schulausflug. Als ich wieder kam war die ganze Arbeitsplatte voll mit Paniermehl und klebte durch Ei. Er hat einfach jeden Tag auf einem anderen Fleck der Arbeitsplatte Fisch, Gemüse oder Filet paniert ohne es wegzuwischen. Das zu reinigen hat ewig gedauert.. aber wir sind fertig geworden bis unsere Eltern kamen.." Kyous friedlicher Gesichtsausdruck sollte seine Worte nicht lang überleben, bevor er wieder einfrohr. Der warme Ton tauchte wieder ins trübe..
Es war daher gut, dass Natasha wieder auf den Praktikanten zusprechen kam- darauf konnte er sich sogleich wieder konzentrieren ohne sich weiter Gedanken darüber zu machen, wieso es ihm bei Natasha leicht fiel über privatere Dinge zu sprechen. Vermutlich weil sie zu seinen gunsten nicht darauf einging.. ihn aber auch nicht abwimmelte."Er ist ja noch ein halbes Kind.." wollte er beschwichtigend einwerfen und wankte mit dem Kopf. Dann musste er jedoch wieder aufmerksam zusehen, wie Natasha erneut mahnend den Finger auf ihn hielt. Nun fühlte er sich gleich wirklich schuldig- als ob er selbst die patzigen Antworten gegeben hätte. " Dann.. sollte ich wohl anfangen ihm ein wenig Umgangsformen beizubringen, Fräulein Natasha?" miemte er eine um Rat bittende Stimme, wobei seine Augen hinter geschlossenen Lidern doch ein wenig vor Erheiterung funkelten. Er glaubte nicht dass auch nur einer heute noch 'Fräulein' sagen würde. "In Frankreich darf man nichteinmal mehr 'Fräulein' sagen. Es gildet als sexsistisch weil es auch in offiziellen Formularen für unverheiratete Frauen stand. Wo hingegen Männer immer nur als ' Herr' aufgeführt werden und damit keine Auskünfte über ihr Liebesleben geben mussten." beendete Kyou mit einem weiteren Löffel Suppe seine kleine Wissens-Exkursion. "Nun gut.. ich muss wohl zugeben das ich nicht weiß ob er Franzose ist. Und ich glaube auch dass ein paar freundlichere Umgangsformen ihm gut tun würden. Ansonsten kann ich nicht viel zu seiner Leistung sagen.. er ist noch nicht solang da." zuckte er mit den Schultern auf. Es war ihm jedoch wiedereinmal ein Rätsel wie sehr Natasha dieser Fakt ärgerte. " Wenn sie mich das nächste Mal besuchen kommen, habe ich vielleicht schon was erreicht, oder bin gleich anzutreffen. Es.. hat heute nur wegen Omega etwas länger gedauert. Ansonsten wäre ich schon früher da gewesen." wollte er es ihr auch nicht weiter den Grund seines Fernbleibens verschweigen. Daran war ja auch nichts schlimm gewesen..
I trampling on your dreams Before they stand in the way of mine
Der alte Doktor war tatsächlich von ganz anderem Schlag, wenn Natasha darüber nachdachte. Sie hatten jedoch wenig miteinander zu tun, denn ihre Standpunkte waren beide sehr unterschiedlicher Natur, wenn auch beiden die Liebe zur Medizin zu eigen war. "Sie haben sicher auch schon einige dieser Veteranen-Geschichten zu hören bekommen, oder?" vermutete sie, da er und Kyou ja zusammenarbeiteten. "Ich muss zugeben, er hat damit nicht ganz unrecht. Feldscher und Kriegsärzte arbeiten unter ganz anderen Umständen und Zuständen als wir 'Schulmediziner'.." räumte sie ein. Ihr war trotzdem Ordnung wichtig, und sie war außerdem sicher, dass er sein Büro bald wieder nach seinem ganz eigenen System geordnet haben würde. "Ich habe ja nicht grundsätzlich etwas gegen sein System.. ich konnte nur einfach nicht untätig herumsitzen und warten. Ich brauche es, mich nützlich zu machen." nickte sie und nahm den Löffel wieder in die Hand, um noch etwas zu essen. Die Temperatur war inzwischen genau richtig, nicht mehr zu heiß, und noch nicht zu kalt.
"Sie werden lachen.. aber Sachen kleinschneiden und kochen ist die Grundlage für alle möglichen Arten von kulinarischen Köstlichkeiten. Denken sie nur einmal an das traditionelle Gulasch.. eine gesunde und nahrhafte Speise insbesondere für ältere Menschen." holte sie ein wenig aus. Essen war tatsächlich ein Thema, für das sie sehr zu erwärmen war. "Ich koche gerne mediterranes Essen. Italienisches Essen ist köstlich und abwechslunsreich, aber ich mag auch sehr gerne Süßspeisen. Und dann ist da natürlich noch die asiatische Küche.. mütterlicherseits habe ich davon doch ein wenig mitbekommen. Den Rest habe ich mir durch Übung aus Kochbüchern angeeignet. Sie sehen es jetzt nicht mehr.. aber vor ein paar Monaten noch hat man mir angesehen, dass ich gern gegessen habe." Wenn sie zuvor auch friedlich ausgesehen hatte, war nun die Besorgnis wieder auf ihre Züge zurückgekehrt. Nicht nur Sorge allein, auch Kummer war deutlich zu erkennen. Sie seufzte und bemühte sich, die Gefühle wieder aus den Gesichtszügen zu verbannen. "Ist ihnen aufgefallen, dass all unsere Gespräche so enden?" sagte sie dann und streifte ihn nur kurz mit den Blicken. Es war leichter sich zu unterhalten, wenn man sich dabei auf das Essen vor sich konzentrieren konnte. Jetzt beanspruchte die zweite Brötchenhälfte ihre ganze Aufmerksamkeit. "Jede Erinnerung, die wir anschneiden endet mit einem schlechten Gefühl." Mehr sagte sie gar nicht, sondern aß wieder von der Suppe. Auch wenn sie Kyou nicht vertraute und ihm eher vor den Kopf stoßen würde, als ihm mehr Nähe einzuräumen, war er doch irgendwie eine vertraute Seele. Wahrscheinlich hätte sie ihn gern haben können, wenn sie hätte vertrauen können.
"Passen sie auf, junger Freund." warnte sie mit ihrem Löffel. "Wenn ich herausfinden sollte, dass sie sich über mich lustig machen, wird ihnen die Suppenschüssel zum Verhängnis." warnte sie den Arzt, von dem sie sich nicht sicher war, ob er sich nun über sie lustig machte. "Als ich in dem Alter war... naja..." zuckte sie mit den Schultern und seufzte schwer. "Ich weiß nicht was mit der Jugend los ist. Aber es ändert sich ja immer irgendwas.." Es war dabei offensichtlich, dass sie nicht besonders scharf darauf war, weiter auf dem Praktikanten herumzuhacken, oder ihn zu thematisieren. Egal wie der Junge sich benahm, sie würde trotzdem kommen und gehen wann und wie sie wollte, wenn sie Kyou etwas zu essen bringen oder ihn sehen wollte. "Wie geht es ihrem Schützling denn?" fragte sie stattdessen. Sie selbst hatte den Jungen nur ein einziges mal durch die verspiegelte Glasscheibe gesehen. Sie ertrug den Anblick einer weiteren zerstörten Seele einfach nicht besonders gut, vor allem da sie sich nicht imstande sah, etwas für ihn zu tun. Zumindest hatte sie nun auch eine Erklärung, warum Kyou so grauenvoll aussah. Sie erwähnte es jedoch noch immer diskret nicht, sondern wartete ab was er auf ihre neutrale Frage antworten würde.
Kyou ließ es sich nicht anmerken, während er schweigend die Suppe aß.. aber er dachte darüber nach was Natasha wohl für ein Mensch gewesen war, bevor dass alles geschah. Er musste sich vorstellen, wie sie gewesen sein musste, als sie noch gern ihrem Job nachgegangen war.. als sie noch gern gekocht hatte- und man es ihr auch ansehen konnte. Davon schien nichts mehr da zusein. Es war so, als ob es sie von innen aufgefressen hätte und nur ein verhermter, harter Kern zurückgeblieben war der rein äußerlich das verletzte innere schützte. Dazu musste er sich nicht einmal die spitzen Schulterblätter ansehen, sondern nur in ihren Worten lesen. Er beließ es daher, und gab keinen Einwand auf die Festtellung dass ihre Erinnerungsausflüge immer in einem flauen Gefühl endeten. Er wusste ja, dass dies von einem selbst stammte- und von dem Mangel an Vertrauen zeugte der daran hinderte, sich in einem Gespräch fallen zu lassen. Nicht, dass er einmal je so empfunden hatte- er war nie der Typ gewesen der sich anlehnte oder im Gespräch trost suchte. Seine Probleme machte er immer mit sich selbst aus. Das bedeutete jedoch nicht dass er es nicht gut fand. Er glaubte dass es sogar ganz hilfreich sein konnte wenn man das Glück hatte jemand vertrauen zu können. " Das heist, wir sollten uns daran wohl gewöhnen, an das Gefühl. Vielleicht lässt es ja irgendwann einmal nach." wollte er aber positiv bleiben. Er nahm wieder ein Stück von dem Brötchen und betrachtete den Rest der Suppe die im Gefäß schwamm.
Lang konnte er dem jedoch nicht nachgehen, sondern nur schützend seine Hände heben als Natasha wieder mit dem Löffel auf ihn zeigte. "Ich ergebe mich.." verließ es den Arzt erst, als er mit den Schultern in die breite Lehen des Stuhls gesunken war und den Nacken an der Lehne stützen konnte. "Es würde mir niemals einfallen mich über sie lustig zu machen. Ich habe doch nichteinmal Humor." versuchte er sich zu schützen. Sein Blick wirkte dabei entschuldigend. Er hatte deswegen auch garnichts dagegen nicht mehr auf den ungeschickten Jungen herumzuhacken, der seiner Meinung nach einfach nur jung war. Er sah es ihm nach- und würde zu einem späteren Zeitpunkt mit ihm über Benehmen sprechen- dann musste sich Natasha auch nicht mehr über ihn ärgern. Er konnte dabei auchg garnicht aufhören, leicht zu lächeln, weil ihm Natashas witzige Wortwahl garnicht mehr losließ. Ob sie ihn nun junger Freund nannte- oder gern Fräulein genannt wurde.. Er musste jedoch einsehen, dass auch dies ein Ende finden musste- denn als sein Schützling angesprochen wurde, verlangte es ihm seinen erhärteten Blick wieder ab. " Es geht ihm gerade nicht gut. Die Medikamente wurden seit seiner Befreiung nicht reduziert, deswegen zeigt er Zwangserscheinungen. Er merkt dass er nicht so handeln und denken kann wie früher, da dies von den Medikamenten gehemmt wurde.. ich habe eingeleitet, dass sie reduziert werden. Er ist nicht mehr akut gefährdet sich umzubringen oder vor schreck zu sterben..deswegen kann man das Risiko eingehen." seufzte er. Er wirkte durchaus besorgt. "Ich kann leider nicht immer bei ihm sein, aber es wäre mir recht wenn ich mich auf jemanden verlassen könnte der auf ihn aufpasst, wenn ich es nicht kann.." äußerte er einen Wunsch, bevor er wieder ihren Blick suchte. " Ich denke es wird ihm bald besser gehen, wenn er wieder abtauchen kann.. aber ich frage mich natürlich wie es mit ihm weiter geht. Er hat nie ein soziales Leben erfahren, und ist überhaupt anders wie andere Menschen.." unterbrach er. Dann musste er die Finger an seine Brille legen, damit er sie absetzen konnte. "Auch ein blinder braucht Augen um in die Zukunft zusehen.." wiederholte er und sah wieder auf die junge Krankenschwester. "Wenn es nach Omega geht bräuchten alle Menschen eine Brille. Insofern ich ihn richtig verstanden habe. Im Grunde verstehe ich ihn nämlich sogut wie nie. Wenn er redet, dann für mich nicht verständlich.." erzählte er weiterhin, wenn auch mit einem nachdenklichen Blick auf seine Brille. "Was meinen sie, ob er einen guten Freund gebrauchen könnte?" Es war dabei nicht so, dass er den Jungen abschieben wollte. Ging es nach ihm würde er sich auch sein ganzes Leben lang um den Jungen kümmern..und das nicht nur wegen des Virus in seinem Kopf. Es gab jedoch eine Grenze die er wegen seinem Schuldgefühl nicht überwinden konnte.. und das betraf ein freundschaftliches, vielleicht eher familiäres Verhältnis auf dass er sich nicht einlassen konnte, nachdem er ihm so viel schlechtes angetan hatte.
I trampling on your dreams Before they stand in the way of mine
Der Arzt wäre sicherlich überrascht gewesen, wenn er eines der wenigen alten Fotos zu Gesicht bekommen hätte, die eine jüngere Natasha zeigten. Tatsächlich hätte er sie darauf vermutlich gar nicht erst erkannt. Die viel längeren, rotbraunen Haare hatte sie meist zu einem Zopf geflochten, die rosigen Wangen waren voll und machten das Gesicht rund, passend zu der leicht molligen Figur, die tatsächlich darauf schließen ließ, dass sie gern kochte und auch aß. Am meisten unterschied sie aber der Gesichtsausdruck, denn eine jüngere Natasha schien milde und güte auszustrahlen. Eigenschaften, die ihr durchaus zu eigen gewesen waren. Anhand ihres Spiegelbildes fiel es ihr auch schwer zu glauben, dass es sich um die eigene Person handelte. Ihr jetziges Bild war ihr fremd, aber ebenso fremd, fern und leer waren ihr die Bilder einer Person, die so gar nicht mehr existierte. "Hm... glauben sie das?" fragte sie dann, selbst in den Gedanken versunken. "Das ist interessant, denn ich ziehe daraus ganz andere Schlüsse.. oder besitze einen anderen Gedankenansatz." erläutert sie, und ließ es sich dann auch nicht nehmen, zu erklären was sie gemeint hatte. "Ich habe es eher empfunden, als würden wir von einer heiteren Vergangenheit sprechen.. worum es sich faktisch auch handelt. Es sind angenehme Gedanken, der Grund warum sie diese Leere hinterlassen, kann nur sein weil sie vergangen sind. Was haben wir jetzt?" stellte sie eine rhetorische Frage. Eine universelle Antwort gab es da nicht, da sie beide ihre jeweiligen Sorgen, Schuldgefühle und Kummer mit sich herumtrugen. "Ich glaube nicht, dass es durch Gewohnheit abflacht. Nur durch eine Veränderung unserer Lebensumstände.. vielleicht." meinte sie und starrte dabei schon wieder unbemerkt düster vor sich hin, so als wäre jede Veränderung an sich schon lebensbedrohend.
"Sie sehen ja, wohin es führt." meinte sie dann wieder, unterstrichen vom für sie charakteristischen Schulterzucken. "Ihr Schützling ist zwar in Freiheit, aber es scheint dadurch wenig besser geworden zu sein." Sie musterte ihn dabei nur vielsagend, mehr als einen wissenden Blick brauchte es nicht, um Kyou verstehen zu lassen, dass sie um seinen Zustand wusste. "Wenn sie mich fragen.." setzte sie einleitend an, denn genau das hatte er ja getan. "..ich bin natürlich keine Psychologin oder gar Psychiaterin. Ich habe wahrscheinlich nicht einmal besonders viel soziale Kompetenz... keine positive Weltanschaung.." erinnerte sie ihn. "Deswegen kann ich nicht beurteilen, wie gut Omegas Chancen stehen. Ich denke aber, dass jeder einen guten Freund gebrauchen könnte." meinte sie dann, ohne dabei besonders glücklich auszusehen. "Aber wer hat das schon?" seufzte sie. "Gute Freunde sind nicht leicht zu finden. Und Vertrauen kann schnell missbraucht werden. Das Leben besteht aus Enttäuschungen.." Auf der anderen Seite war ihr bewusst, dass das nur ihre eigenen Erfahrungen wiederspiegelte. Von der Hand zu weisen waren sie dennoch nicht, denn sie glaubte, dass jeder Mensch mindestens eine solche Erfahrung machen musste, viele sogar bei weitem mehr. "Ehrlich gesagt verstehe ich solche krytischen Redewendungen auch nicht. Ich kann damit nicht besonders viel anfangen.. andererseits dürfen wir nicht vergessen, dass der Junge nicht gelernt hat, zu kommunizieren. Er spricht in Symbolen die für ihn Sinn ergeben." war zumindest ihre Meinung. Sie fasste über den Tisch, um noch einmal die inzwischen leeren Schüsseln aufzufüllen, bevor die Suppe ganz kalt werden konnte. "Essen sie nur. Sie brauchen die Energie. Und sie haben weiß Gott genug Verantwortung zu tragen." forderte sie ihn auf, auch noch ein Brötchen zu nehmen.
Der Doc musste überlegen was Natashas Worte für ihn bedeuteten. Es waren vielleicht wirklich zwei Grundsätze aus zwei verschiedenen Richtungen, die sie vertraten. Aber mit einem hatte sie recht : dass was sie über vergangenes Zusagen hatten war mit schönen Gefühlen verbunden. Sowohl für Natasha als auch für ihn hat es einmal eine schöne Zeit geben. Es war dabei unwichtig ob sie kurz oder lang war. Fakt ist, sie hat existiert.. und wo jeder Priester oder Psychologe meinen würde, man sollte für dieses Geschenk dankbar sein, fehlte einem dazu die menschliche Größe. Das war es woran sich Kyou mit schlechtem Gefühl erinnerte. "Ja, es endet in einem schlechten Gefühl.." musste er daher zugeben. Die Trübung seiner Augen ließ nicht zu, in tiefere Gedanken einzusehen. Irgendwann mussten sie mal geleuchtet haben. Natasha würde wohl ebenfalls überrascht sein, wenn er ihr erzählte dass sie mal braun gewesen waren.. nicht immer trüb-grau. " Ich kann schöne Erinnerungen nicht in eine Kiste sperren und sie unter dem Bett verstecken- wörtlich betrachtet. Das selbe gilt für schlechte Erfahrungen." setzte er an und ließ sich nachschenken. Sein Löffel zog in der Suppe Kreise. "Was ich aber sagen will ist nicht, dass man sich seine Fehler und Herzensmomente immer vor Augen tragen muss.. was mich betrifft, halte ich mir schöne Erinnerungen auch manchmal vor um nicht ein gänzlich schlechtes Bild von der Welt zu gewinnen. Wenn ich daran denke, dass Menschen wie sie und ich gekocht haben, um sich und andere zu erfreuen.. das Menschen wie mein Bruder ebenfalls viel Liebe zu verschenken hatte, dass es Musik und Kunst gibt.. dann kann nicht alles schlecht sein was der Mensch schaffen kann. Und auch wenn das bedeutet dass es mir danach schlecht geht weil ich in der Realität allein da stehe und mehr Hände gesehen habe, die Tod als Freude bringen. Vielleicht bin ich deswegen nur auch selbst noch nicht durchgedreht und habe vorgehabt die Menschheit auslöschen zu wollen. " Kyou musste mit den Schultern zucken. Es war alles hypotetisch, aber untermalte seine Gründe. "Für mich..gehört der Schmerz dazu, nicht meine Menschlichkeit zu verlieren..auch wenn ich kein paradebeispel dafür bin. Ich denke, es gibt schlimmere..aber auch bei weitem bessere Menschen als mich.." endete er vorzeitig und nahm noch ein Brötchen.
Er konnte dabei nicht von der Hand weisen dass Omega kein normales Leben vor sich hatte. Was er ebenfalls schlimm fand war, dass er nichteinmal eines richtig hinter sich hatte. Seinen Gesichtszügen nach zu urteilen, war es schwer ihn überhaupt einer Nationalität zuzuordnen. Manche glauben asiatisch..doch seine Augen waren groß, die Lippen feingeschwungen und voll. Sein Gesicht war wirklich sehr hübsch gewesen. "Ich wüsste gern seinen Namen.." musste er daher einwerfen, als wäre er zuvor selbst in eigene Gedanken abgetaucht. "Ich hatte keine persönlichen Akten.. nur über seine körperlichen und psychischen Belange. " Musste er trauriger Weise feststellen. Er glaubte aber auch das es fraglich wär ihn an einen anderen Namen zu gewöhnen. Vermutlich würde das ihn nur weiter verwirren. Kyou musste erneut zu Natasha aufsehen. "Das einzige, wofür ich sorgen kann ist dass man ihn nicht weiter verletzt. Hier ist die Welt klein..und ich glaube das minimiert die Gefahr dass ihm hier jemand begegnet der ihn verletzt. Vielleicht wäre auch jemand in seinem Alter gut. Er würde sozial interagieren lernen ohne es bestenfalls zu bemerken. Aber, ich erwate nicht zu viel. Alles was ich möchte ist ihm ein friedliches Leben zu ermöglichen.." hielt er inne. "Sie haben recht, deswegen drückt er sich wenn, auch nur in einer für ihn bildlichen Sprache aus, weil er es anders auch nicht kennt.." dann kam er jedoch ins stocken. Er hatte wirklich ganz vergessen, weiter zu essen. Die Mahnung mit Erinnerung an seine Verantwortung durchzuckte ihn daher wie ein elektrischer Puls. Er konnte nicht anders als Natasha lang anzusehen- die seinem Zustand wohl doch bedacht hatte. "Danke Natasha.." entfiel seinen Lippen dabei unbedacht. Dann griff er sich auch schon das nächste Brötchen."Allein vergesse ich es sonst öfter. Wie gut dass sie ab und an vorbeischauen.." musste er abgeschwächt wiedergeben, dass der weich werdende, beeindruckte Teil in ihm sich wirklich darüber freute dass sie seine Arbeit inform seiner Verantwortung so hoch schätzte. Vielleicht hatte sie ja doch mehr für ihn übrig als er gedacht hatte..
I trampling on your dreams Before they stand in the way of mine
"Vielleicht wäre es leichter, wenn man die schönen Erinnerungen wegsperren könnte. Und die schlechten Erfahrungen auch." meinte sie, ohne davon gänzlich überzeugt zu sein. "Aber was bliebe da von einem noch übrig?" Es war eine Frage, auf die sie keine Antwort wusste, und sich letztlich auch gar keine erhoffte. Solche Gedanken führten meist zu nichts, aber es gab immer schwache Momente, in denen sie in solche Grübeleien verfiel. Dennoch war sie vom Monolog des Doktors recht beeindruckt. Es brachte sie dazu, ihn ein wenig aus einer anderen Perspektive zu sehen. Sicher, sie konnte ihm nicht vertrauen, aber sie konnte ihm zumindest glauben, dass er alles daran setzte, für seine eigenen Sünden zu büßen, und sie so weit es ihm möglich war zu bereinigen. Das war mehr, als die meisten anderen wohl getan hätten. Sie hasste geheuchelte Entschuldigungen, gespielte Reue und Mitleid. "Ja, sie haben recht. Es gibt schlimmere und bessere Menschen als sie." nickte sie daher nachdenklich, zustimmend. "Sie haben mir nichts getan, deswegen kann ich ihnen ihre Schuld nicht vergeben.. Aber ich sehe zumindest, dass sie ernstlich bemüht sind, den Schaden zu begrenzen den sie angerichtet haben. Das ist mehr, als die meisten anderen getan hätten." Sie zögerte, überlegte eine Weile und beschloss dann, doch erst einmal still zu bleiben. Irgendwie hatte sie im Gefühl, dass Kyou noch etwas anzufügen hatte.
"Sie würden gern seinen Namen wissen, oder etwas über seine Herkunft, weil sie glauben ihm dadurch etwas zurück geben zu können, oder? Oder vielleicht nur, damit sie selber etwas hätten an dem sie sich halten können?" überlegte sie laut. "Das ist zwar verständlich, aber es würde ihnen nicht helfen, und ihm auch nicht." nickte sie wieder, und aß dann weiter von ihrer Suppe. Sie war schon etwas kühl, aber immer noch schmackhaft. "Sein altes Leben ist unwiederbringlich verloren.. selbst wenn wir Eltern, Freunde finden könnten, es würde ihn ängstigen und verstören. Er würde nur leiden, und seine Angehörigen sicher genauso. Sie tun schon das Richtige, indem sie weiteren Schaden von ihm abhalten. Er weiß nichts mehr über unsere Gesellschaft, sein Leben ist nicht einfach nur zerstört, es ist vollkommen ausgelöscht." überlegte sie, und tastete sich selbst langsam weiter hervor. "Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung heraus sprechen. Sie tragen für dieses kleine Bündel Mensch nun eine Verantwortung, und die wiegt sehr, sehr schwer. Ich kann mir vorstellen, was sie ertragen müssen, aber es ist der einzig richtige Weg, wenn sie wirklich etwas für ihn tun wollen." Und Natasha war sich sehr sicher, dass der Doc das wollte. Man sah es ihm an, und nichts davon war geheuchelt. Sie hätte sofort erkannt, wenn es so gewesen wäre. "Ich muss doch dafür sorgen, dass sie sich nicht versehentlich ruinieren.. Grund dazu hätten sie zumindest. Omega darf jedenfalls nicht unter dem Gewicht leiden, das sie mit sich herumschleppen." schloß sie schließlich ihre Worte, ungewohnt milde. So sollte wohl auch der weiche Tonfall etwas vom Gewicht nehmen, das die Sätze enthielten. Es war ein kleines Zugeständnis, das sie machte.. Auch wenn sie es nicht wirklich zeigen konnte, war es doch ihre Art Kyou dabei zu unterstützen, auf den 'rechten Weg' zurückzukehren. Sie wusste, wie schwer das war, und was es ihm abverlangte.. dass er den größten Teil selbst leisten musste, wenn er wirklich Vergebung erlangen wollte, aber dabei konnte sie dennoch ein wenig unterstützend einwirken, selbst wenn diese Unterstützung nur darin bestand, ihm hin und wieder etwas zu Essen vorbei zu bringen oder einen Kaffee zusammen zu trinken.