Ray ließ nach diesem harten Tag seine Schlüsselkarte in die Keramikschale neben der Tür fallen. Er fuhr sich durch das matte, etwas zu lange Haar und schob die Locken aus seinem Sichtfeld. Er wirkte ein wenig ungepflegt, auch wenn man keine Bartstoppeln erkennen konnte, oder Flecke auf seiner Kleidung. Es steckte in den Kleinigkeiten wie seiner Körperhaltung, dem stumpfen Haar oder den sorgenvollen Schatten unter seinen Augen. Dabei gab er sich nur auch alle Mühe, irgendwie durch den Alltag zu kommen.
Früher hatte Eileen darauf geachtet, dass er keine zerknitterte Jeans trug..und auch Shane hatte ihhn darauf hingewiesen wenn die Kapuze seiner Jacke verbeult war oder es mal wieder Zeit wurde, den Friseur zu besuchen. Ray sah in vielen Gelegenheiten des Alltages, wie sehr ihn seine Freunde gepflegt hatten, und wie sie für ihn gesorgt hatten während er sich wie ein schützender Fels vor ihnen aufgebaut hatte. Nun schlurfte er mehr in die Küche, und erinnerte nicht mehr an einen Felsen. Seine Schultern wirkten spitz, während er sich zum Kühlschrank herüber beugte um ein Fertiggericht aus ihm zu angeln. Als ihm das gelungen war schob er es in die Mikrowelle und stellte den Timer auf 30 Minuten. Er funktionierte, mechanisch..aber auch Ray spürte dass ihm für diese motorischen Schritte langsam die Kraft ausgging, die er über Jahre dafür aufgebraucht hatte. Und wofür? Um so weit zukommen? Um allein in seiner winzigen Wohnung zu sitzen, ohne seine Familie und darauf zu warten, dass es irgendwann wieder hell wurde und er zur Arbeit gehen konnte. Ray wusste, dass seit langer, langer Zeit alles schief lief. Er verließ die Küche und holte sein Handy aus seiner Jackentasche. Er stellte es auf den Glastisch vor dem braunen, schlichten Sofa das in seinem Wohnzimmer stand. Danach ließ er sich ebenfalls sinken und rieb sich das Gesicht, während seine Ellenbogen sich auf seine Knie stützten. Ray wollte so ein wenig Farbe gewinnen, und die Blässe aus seinem Gesicht vertreiben. Dann streckte er einen Arm aus um auf seinem Handy die Kamera zu aktivieren. Er startete eine Videoaufnahme. Man konnte erkennen dass er die dunkelblaue Kapuzenjacke trug, die er seit Ewigkeiten besaß. Er konnte sich genauso wenig von ihr trennen, wie von der Vergangenheit die er mit ihr verband. "Hallo Eileen.." begann er leise, und räusperte sich, weil er nicht wusste ob man ihn so richtig vestand. "Du fragst dich sicher, wieso ich dir ein Video schicke. Und meine Antwort ist, dass der Einfall dafür sehr spontan war. Ich bin gerade von der Arbeit gekommen..ich habe eine 12 Stunden Schicht hinter mit, weil ich an einem neuen Mech gearbeitet habe der unbedingt ab morgen in die Testphase gehen muss, um den Zeitplan und Kostenplan einzuhalten. Also ja..ich arbeite noch immer als Mechaniker." begann er zu erzählen. Ein kurzes, jedoch trauriges Lächeln umspielte kurz seine Lider und furchte leichte Fältchen um seine Augen. Doch man konnte sehen, dass er kein Typ war, der oft gelacht hatte. "Früher, wenn ich nach so einem langen Tag nach Hause kam, hat es schon nach Essen geduftet. Du hattest immer etwas aus der Cafeteria mitgebracht, und so lecker zubereitet- dass ich mich schon jedes Mal fragte, was es wohl das nächste Mal geben würde. Shane saß in der Zeit in eurem Wohnzimmer und hatte schon den Tisch gedeckt..und mir gesagt das ihr schon auf mich gewartet habt. Danach haben wir alle gegessen und uns bis in die Nacht unterhalten.. alle zusammen auf der gemütlichen Couch im Wohnzimmer." Diesmal war Rays trauiges Lächeln wärmer. Er spielte für einen Moment an dem Kreuzohring unter seinem Haar, weil er nervös war. "Ich habe immer eine Tüte Chips mitgebracht, oder etwas zu trinken..weil ich immer nur noch schnell was im 24h Shop besorgt habe..aber ihr habt euch trotzdem immer darüber gefreut, und ich mich auch. Und heute.." Ray fuhr sich durch sein Haar, udn seufzte erneut. "Heute komme ich jeden Abend in meine Wohnung. Es ist still und leer. In meinem Kühlschrank befindet sich immer Essen für exakt sieben Tage, damit ich nicht mehr als unnötig die Wohnung verlassen muss. Und weißt du was? Ich habe es mir ja all die Jahre so ausgesucht. Anstatt nach dir zu suchen, und dich wieder zurück zu gewinnen, habe ich nur versucht das Leben ohne dich und ohne Shane zu ertragen. Aber die Wahrheit ist: es ist nicht zu ertragen. Man verliert nur jeden Tag mehr von sich selbst, bis gar nichts mehr übrig ist. Und mir ist bewusst geworden, dass ich an diesen Punkt gekommen bin. Ich habe ihn selbst verschuldet." Ray nickte aufrichtig. Seine hellen, ehrlichen Augen scheuten nicht davor ihre Aufrichtigkeit und ihre Emotionen von der Kamera einfangen zu lassen. "Ich war wirklich ein Idiot. Niemals hätte ich es zulassen dürfen das du ganz allein in eine fremde Stadt ziehst..ohne zu wissen was aus dir wird oder was du vor hast. Ich bin nur davon ausgegangen, dass du mich nicht mehr sehen willst, und dass ich für dich gestorben bin und du meine Nähe deswegen nicht mehr erträgst. Aber die Wahrheit ist, dass du dich geschämt hast. So sehr, dass du sogar deinen Bruder verlassen musstest...und ich habe damit dafür gesorgt, dass unsere Familie für nichts zu Grunde ging.Eileen..ich, ich wollte mich noch einmal Entschuldigen. Ich habe nicht nur mein Leben ruiniert..ich habe vorallem dafür gesorgt das du kein schönes Leben mehr haben konntest. Ich habe in dir das Vertrauen mir gegenüber zerstört. Das Vertrauen was du über all die Jahre in mich gesetzt hast..ging kaputt für nichts. Weil ich völlig falsche Ansprüche gestellt hatte...weil ich vollkommen über reagiert hatte..und weil ich an dir all das ausgelassen habe, was ich eigentlich an mich selbst hätte richten müssen. Denn du hast mich nicht betrogen. Aber ich dich. Denn an diesem Abend habe ich mich nicht wie dein Freund verhalten. Ich war nicht die Familie, die du gekannt und auf die du immer Anspruch gehabt hast. Ich war ein Egoist der nicht daran gedacht hat, was er mit diesen Worten in dir anrichtet. Eileen..ich schicke dir dieses Band, wenn es aufgenommen ist damit du sehen kannst dass ich es ernst meine. Ich habe verstanden, dass ich alles falsch gemacht habe..und das es nicht genügt zu sagen, das du keine Schuld hattest. Ich darf es so nicht hinnehmen und versuchen mich so weiter durch das leben zu quälen..und zu zulassen, dass du dich genauso quälst. Ich möchte nur dass du weist, dass ich im Anschluss meine Sachen packen werde, und das nächste Flugzeug nehmen werde um zu dir zu kommen. Ich möchte mit dir reden, und hoffe, dass ich dich erreichen kann. Ich werde zuvor noch bei Shane vorbei gehen.. du kannst dir sicher vorstellen, dass auch unser Verhältnis nicht mehr das selbe ist wie früher. Ich möchte ihm davon erzählen..und ich hoffe ich kann dich ihm wieder bringen." Rays Lippen formten erneut ein sanftes Lächeln.. "Ihr seit beide meine Familie..und es war mein größter Fehler all das kapitt zu machen. Ihr habt zu mir gehalten, egal wie es um mich stand. Egal was die Leute redeten...egal was meine geldgierigen Eltern sagten..ihr habt immer gewusst wer ich wirklich bin. Und ich hoffe es ist noch nicht zu spät, diese Person wieder zu sein. Eileen? Bis Bald..und pass auf dich auf." sagte er die Worte, die er ihr jeden Morgen mit auf dem Weg gegeben hatte bevor sie zur Schule gegangen war..oder später zur Arbeit. 'Pass auf dich auf'- für die Zeit, in der er kein wachsames Auge über sie halten konnte. Jetzt beendete er die Videoaufnahme und steckte sein Handy an seinen Pc an, um das Video zu überspielen und anschließend auf ein Speicherstick zu ziehen. Diesen Stick wollte er mit ein paar Zeilen versehen, bevor er ihn in einen Briefumschlag steckte. Er würde diesen Brief noch zur Post bringen..und dann noch bei Shane vorbei schauen. Er schrieb ihm auf dem Weg zur Tür noch eine Nachricht. 'Bist du noch wach?' schrieb er. 'Ich muss mit dir reden..ich möchte um unsere Familie kämpfen...kann ich vorbei kómmen?" schrieb er, weil er nicht wusste ob Shane beschäftigt war. Die Zeit , die er damit zubringen würde um eine Antwort abzuwarten, füllte er damit den Brief zur Poststation zu bringen, damit er per Einschreiben versendet werden konnte. Zum Glück besaß seine Mikrowelle einen Timer..und alles was er später in seiner Wohnung vorfinden würde, war wohl ein wieder erkalteter Auflauf..
Das Päckchen im Briefkasten war eine Überraschung. Eileen hatte es gefunden als sie nach ihrer Schicht nach Hause gekommen war und den Briefkasten geöffnet hatte. Sie bekam selten Post, und neben dem Päckchen befand sich nur ein einzelnder Werbeflyer, dem sie aber kaum Beachtung schenkte. Sie stieg die Stufen durch das Treppenhaus nach oben zu ihrer Wohnung hinauf und drehte das Päckchen, um den Absender zu lesen. Vor Schreck hätte sie es beinahe fallen gelassen. Ray Parker stand da, mit der krakeligen Handschrift, die sie so gut kannte. Nachdem sie den ersten Schreck überwunden hatte, stieg sie die letzten Stufen hinauf und sperrte die Tür auf. Auf der anderen Seite war es doch keine so große Überraschung. Er hatte schon einmal einen Brief geschrieben, vor einem Jahr. Oder waren es schon zwei? Sie wusste es nicht mehr, und es kam ja auch nicht darauf an. Den Brief musste sie irgendwann verloren haben, jedenfalls war er nicht mehr auffindbar. Sie hängte den Schlüssel an ihr Schlüsselbrett und ihren dünnen Mantel an die Garderobe, nachdem sie ihre Schuhe ausgezogen hatte. Nachdenklich drehte sie das Päckchen in den Händen, unschlüssig was nun damit geschehen sollte. Sie fühlte sich aufgewühlt und unsicher, aber letztlich nahm sie es mit ins Wohnzimmer, das nur durch eine Trennwand abgeteilt auch als Schlafzimmer diente.
Vielleicht war ja etwas mit ihrem Bruder. Sie hoffte es nicht und riss das Paket auf. Heraus fiel ein Speicherstick und ein Brief. Ihr Herz pochte wild als sie den Brief nahm und ihn auffaltete. Ihre Sicht verschwamm, aber dann wurde ihr klar, dass es nichts mit ihrem Bruder zu tun hatte. Es war offensichtlich nicht seiner, sondern wirklich Rays. Sie war sich allerdings nicht sicher, ob sie wissen wollte was darauf war. Sie drehte ihn unschlüssig in den Händen und hob ihn und anschließend den Brief an ihre Nasenspitze, um daran zu riechen. Wahrscheinlich war es nur ihre Erinnerung, aber wenn sie die Augen schloß, konnte sie fast Ray daran riechen. Er hatte alle diese Dinge berührt... Letztendlich siegte die Neugier, und sie fuhr ihren etwas in die Jahre gekommenen Laptop hoch. Sie benutze ihn ohnehin nur sehr selten, und dafür reichte er aus. Sie steckte den Stick ein und rief die einzige gespeicherte Datei auf. Es war ein Video... und ihr stockte der Atem. Sie hatte ihn seit über sechs Jahren nicht gesehen, und da war er in Fleisch und Blut. Damals war er 22 gewesen, jetzt stand sein 29 Geburtstag vor der Tür. Sie musste schlucken, da er sich einerseits kaum verändert hatte, aber andererseits sehr viel männlicher und älter aussah, als in ihrer Erinnerung. Ihr vielen auch die vielen kleinen Details auf, die seine Mimik verrieten, oder dass er ein wenig an Gewicht verloren hatte. Irgendwann während sie ihm zuhörte, musste sie angefangen haben zu weinen. Sie merkte es, als ein Tropfen auf ihre Hand fiel und hob diese, um sich über die Augen zu wischen. So viele Jahre, die sie gemeinsam hätten verbringen können... Aber ein einzelner Fehler hatte alles zerstört, und am Ende hatte er sie nicht mehr gewollt. Sie wusste nicht, was letztlich seine Meinung geändert hatte, ob es die Zeit war oder nur ein Anfall von Nostalgie.. Aber letztlich waren sie als Fremde auseinander gegangen. Und so vertraut er auch wirken musste, die Zeit in der sie keinen Kontakt gehabt hatten, hatte sie zu Fremden gemacht. So weit sie wusste hätte er inzwischen auch verheiratet sein können und Kinder haben. Diese Möglichkeit konnte sie durch seine Botschaft nun ausschließen, aber das änderte nichts an der verlorenen Zeit. Diese sechs Jahre waren bereits ein Viertel ihres gesamten Lebens, und ein weiteres Viertel konnte man abziehen, weil sie sich an ihre frühe Kindheit kaum erinnerte. Aber da gewesen war er trotzdem, erinnerte sie sich, in diesem Viertel...
Ob es stimmte, dass er nun wirklich schon auf dem Weg war um sie zu sehen? Der Gedanke war sehr beängstigend für sie, nicht zuletzt weil sie nicht wusste, wie sie ihm entgegentreten konnte nach all der Zeit. Aber so sehr sie sich fürchtete, gab es auch einen kleinen Teil von ihr, der sich danach sehnte ihn wiederzusehen, der sich immer nach ihm gesehnt hatte. Letztlich war sie es ja gewesen, die sich nur gewünscht hatte mit ihm wieder eine Beziehung aufnehmen zu können nach ihrem Fehltritt.. Er war der Mann ihres Lebens gewesen, hatte sie geglaubt, aber die Frage die sie sich eigentlich stellen musste war, was sie jetzt glaubte. Und darauf hatte sie keine Antwort. Sie suchte nach ihrem Handy. Auch wenn sie ihr altes damals zurückgelassen hatte, kannte sie seine Nummer auswendig. Jedenfalls wenn er sie in den letzten Jahren nicht geändert hatte. Sie ließ es auf einen Versucht ankommen und schrieb ihm eine Textnachricht. "Weißt du schon, wann du kommst?" Und schickte sie nach einigem Zögern ab. Es machte sie nervös, aber vielleicht ging die Nachricht auch ins Leere. Sie musste sich überraschen lassen. Möglicherweise stand er sonst auch einfach irgendwann vor der Tür.
Ray hatte sich noch bei Shane und Sai verabschiedet. Er hatte ihnen gesagt, was er vor hatte und wie er es angehen wollte. Es war ihm wichtig das auch Shane bescheid wusste, da er sein bester Freund, und Eileens Bruder gewesen war..und da Shane auch noch seine Schwester durch ihn-Ray- verloren hatte..war er natürlich der erste den er auch darüber informieren wollte dass er Eileen nach Hause holen wollte, wenn es die Möglichkeit noch zuließ. Sicher, sie konnte ihn wegschicken, oder gar nicht erst an sich heran lassen und ignorieren. Aber sie könnte vielleicht auch mit ihm reden und ihm zuhören. Vielleicht..konnten sie ja auch erst einmal wieder Freunde werden. Langsam und Stück für Stück. Vielleicht konnte er ja auch so Eileens Vertrauen wiederlangen. Am wichtigsten war ihm jedoch, das Eileen sich wegen ihm nicht mehr schlecht fühlen musste. Er hoffte das er sie von den schlimmen Gefühlen befreien konnte, welche die ganzen Jahre in ihr tobten..aber wenn er auch ehrlich zu sich war, konnte er ja auch wirklich gar nicht genau sagen, wie sich Eileen wohl fühlte. Er hatte sie Jahre nicht gesehen. Aber er vermutete , dass es ihr elend ging- und sie sicherlich nicht mehr fröhlich geworden ist. Das sagte ihm sein Bauchgefühl..und das beruhte auf der Verbindung, die er immer noch zwischen sich, Eileen und Shane spürte.
Zum Beispiel hatte er damals kein gutes Gefühl als Eileen in der Grundschule an einem Schulausflug teilgenommen hatte. Es war ein Ausflug in einen nachgestellten Dinosaurierpark gewesen..so glaubte er sich jedenfalls zu erinnern. Irgendwann um die Mittagszeit herum, hatte er an diesem Tag ein schlechtes Gefühl gehabt, und den ganzen Tag keine Ruhe gefunden. Am Abend, als Eileen dann nach Hause gekommen war, klebte ein dickes Pflaster auf ihrem Knie. Sie war ausgerutscht und hingefallen. Natürlich war sie vor ihm tapfer gewesen..aber er hatte sich damals wahnsinnge Vorwürfe gemacht- oder viel mehr, der Lehrerin die auf Eileen hätte aufpassen sollen. Zum Glück war nichts schlimmeres passiert- und er wusste nicht einmal, ob Eileen sich noch an den Vorfall erinnerte. Aber Ray würde nie mals die Angst vergessen die er um sie gehabt hatte. Genau solche Tode hatte er auch immer ausgestanden wenn Shane sich auf Einsätzen befunden hatte. Er wusste dass, wenn jemand von seiner Familie starb, auch er mit innerlich zerfallen würde. Vermutlich- so glaubte Ray..spürte er deswegen auch so den Verfall in sich selbst, weil seine Freunde und Familie, ihn auch erlitten hatten. Auch wenn die Zeit und sein eigenes Fehlverhalten sie außeinander getrieben hatte..so hoffte Ray einfach, das sein Gefühl dieser tiefen Verbundenheit, auch etwas zu bedeuten hatten. Am nächsten Tag war er auf Arbeit gegangen und hatte sich ein paar Tage frei genommen. Der Mech an dem er gearbeitet hatte- Ceres- lief perfekt und hatte seinen ersten Testflug bestanden. Deswegen erlaubte sich Ray auch ein Gespräch mit seinem Chef. Er bat darum seine über die Jahre aufgebauten Überstunden in einem Urlaub entlohnt zu bekommen..und sein Chef gab dem Wunsch seines fleißigsten Mitarbeiters gern nach. Er hatte sich immer auf Ray verlassen können. Aber natürlich hatte dieser die letzten Jahre auch kein Privatleben gehabt. Er konnte deswegen immer Schichten übernehmen und Krankheisausfälle ausgleichen. Und das kam nun zumindest Positiv auf ihn zurück.
Wieder zu Hause angekommen, hatte Ray angefangen eine Tasche zu packen. Er knüllte ein paar Jeans hinein, Shirts, Socken und frische Unterwäsche. Anschließend hatte er sich vor den PC gesetzt und angefangen nach Flügen zu suchen, die in den Staat unterwegs waren, in dem Eileen nun wohnte. Er suchte sich einen günstigen Flug heraus der in Verbindung mit der Unterbringung in einem kleinen Hotel stand. In zwei Tagen konnte es schon losgehen, denn ab da war das Zimmer frei das er mitgebucht hatte. Ray buchte das Ticket und beglich den Betrag Online. So konnte er die Tickets am eigenen Pc anschließend Ausdrucken und mit in seiner Reisetasche verstauen. Nun war er wirklich nervös, und lief in seiner Wohnung auf und ab. Er hatte gar nicht bemerkt, wie viel Zeit vergangen war, als plötzlich sein Handy laut vibrierte. Das lag daran, weil es auf dem Glastisch vor seinem Sofa lag. Er hatte natürlich seine Nummer niemals gewechselt..eben für diesen Fall, der wohl nun eingetreten war. Ihm stockte der Atem, und er starrte für einen Moment geistlos auf sein Telefon, das aufgeleuchtet hatte. Er zog sich nervös am Ärmel seiner Kapuzenjacke, und rutschte dann auf das Sofa um im selben Moment nach dem Handy zu angeln. Er öffnete die Nachricht..und obwohl der Absender nur eine Telefonnummer war, so wusste er sofort, zu wem sie gehörte. Es stand außer Frage, dass jemand anderes außer Eileen ihm so eine Nachricht schreiben würde. Ray wurde rot..sein Herz klopfte wie wild und seine Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln, obwohl ihm viel mehr nach weinen zu mute war, weil sich die Anspannung plötzlich in einem Ausbruch an Emotion entlud. Seine Hand zitterte ein bisschen..aber er traf die Tasten um zu antworten. "Hey.." tippte er und kaute auf seiner Unterlippe. "Ich habe mir gerade die Tickets ausgedruckt. Mein Flug geht Übermorgen früh. Am Nachmittag wäre ich da. Ist das okey für dich ?" fügte er an. "Bei dem Flug war auch ein Hotel dabei." Er hätte am liebsten sich mit Entschuldigungen und Flehen überschlagen..aber er wollte es vorsichtig angehen. "Ich vermisse dich, Ray." schloss er , und sendete ab, ehe er es sich noch einmal anders überlegte, und vielleicht irgendwelchen Mist zusammen schrieb. Danach zog er die Beine an, und starrte auf sein Handy. Er hielt es mit aller Kraft fest...
Auf eine Antwort zu warten von der man nicht wusste, ob sie jemals kommen würde, hatte ein bisschen was von auf glühenden Kohlen sitzen. Eileen war deswegen in die Küche gegangen um sich einen Kamillentee aufzubrühen und einen Apfel zu holen. Als sie zurück kam, hatte sie noch keine Antwort bekommen und sich dann noch einmal dem Video zugewandt. Sie hatte es auf Pause gestellt und sich so die Zeit genommen, Ray noch einmal in Ruhe zu betrachten. Auch wenn er so viel älter wirkte als sie ihn in Erinnerung hatte - so viel erwachsener, so viel männlicher - sah er immer noch unglaublich gut aus. Ein Teil von ihr brannte in dem heftigen Verlangen, seine Arme wieder um sich zu spüren, das Gesicht an seiner Brust zu vergraben und sich einfach wieder sicher fühlen zu können... aber der andere Teil von ihr, der bereits seit sechs Jahren Verantwortung für sich selbst übernommen hatte, blieb zurückhaltender. Schließlich war sie nicht mehr das Mädchen, dass er in seiner Kindheit beschützt hatte. Am Ende war sie nur ein Mädchen, dass den Fehler begangen hatte sich in einen anderen Mann zu verlieben, bei diesem abzublitzen und sich dann offensichtlich den nächstbesten holen wollte. Sie hatte begriffen, dass er sie nie wieder als das unschuldige, nette Mädchen sehen konnte. Nur deswegen war sie auch gegangen, um ihn nicht mehr mit ihrem Anblick zu beleidigen... Und sie dachte bei sich, dass er damit auch recht gehabt hatte. Sie hatte ihre Beziehung völlig umsonst geopfert, und so sehr sie auch wünschte, es rückgängig machen zu können, hatte sie alles zerstört. Wie konnte sie sich überhaupt je wieder wohl fühlen? Und am wenigsten bei Ray, dem sie den Glauben an sie - Eileen - genommen hatte. Als sie letztendlich realisert hatte, dass er von Anfang an der Richtige für sie gewesen war, war es dafür schon zu spät gewesen. Dabei hatte sie ihn geliebt, bis zu dem unglücklichen Tag an dem sie herausgefunden hatte, dass Sean kein Mädchen war... Vielleicht hatte sie sich diese Liebe nur eingebildet und sie mit der Faszination und Vertrautheit verwechselt, die sich entwickelt hatte. Schließlich hatte sie auch nie andere Freunde oder Freundinnen gehabt. Aber was es auch war, am Ende war es das nicht wert gewesen, Ray zu verlieren.
Sie hatte noch gar nicht von ihrem Apfel abgebissen, aber als plötzlich der Vibrationsalarm ihres Handys losging, ließ sie ihn vor Schreck auf den Teppichboden fallen. Er rollte einen halben Meter über den Teppich und blieb liegen. Eileen schaute erschrocken zwischen dem erleuchteten Display und dem Apfel hin und her, bevor sie ihn aufhob und dann, viel langsamer, nach ihrem Handy griff. Er hatte wohl seine Nummer nicht geändert. Sie schluckte und öffnete schließlich die Nachricht, verängstigt vor dem, was darin stehen könnte. Übermorgen nachmittag also... Und ein Hotel hatte er auch gebucht? Daran hatte sie gar nicht gedacht. Sie lächelte ein wenig, weil sie so naiv gewesen war zu glauben, er würde bei ihr übernachten. Die Vorstellung war seltsam, dass er sie besuchen wollte und in einem Hotel schlief, aber sie nahm an dass es auch Sinn machte. Nun musste sie nur noch überlegen, wo sie sich am besten treffen sollten. Bei ihrer Arbeit, oder doch lieber zu Hause? Zu Hause war vermutlich besser.. und auch wenn es kurzfristig war, konnte sie vielleicht frei bekommen oder früher schluss machen. Sie wollte etwas kochen, und dann konnten sie besprechen was immer Ray auch besprechen wollte. "Komm einfach vorbei wenn du gelandet bist. Du hast ja meine Adresse." schrieb sie und überlegte. Es kostete sie Überwindung, die folgenden Worte zu tippen. "Du hast mir auch gefehlt." Sie fühlte sich schrecklich, als sie die Nachricht absendete, und angelte nach ihrer Teetasse, um zu trinken. Nach den ganzen Jahren war es schrecklich aufreibend, auch nur ein einfaches Gespräch zu führen, selbst wenn es nur Kurznachrichten waren.
Ray hielt sein Telefon immer noch umklammert. Die Vibratotion fuhr deswegen wie ein heilsamer Schock durch seine kalten Hände, und kündigte an das Eileen ihm geantwortet hatte. Seine hellen Augen weiteten sich, und er drückte sofort auf den Button um zur Nachricht zu gelangen..und das versetzte seinem Herz einen heftigen Stoß. Aufregung, Freude und Hoffnung strömten wie heißes Wasser durch seine Adern und obwohl ihm so kalt gewesen war, glaubte er nun fast zu verbrennen. Das lag an Eileens letzten Worten : Du hast mir auch gefehlt: hatte sie geschrieben. Rays spitze Schultern sanken gegen die Lehne des Sofas und sein angestrengter Blick wurde langsam weicher. Ein Streifen flüssiger Bernstein war zwischen seinen Lidern zu erkennen, während er immer und immer wieder ihre kurzen Zeilen las. "Sie vermisst mich..ich hab ihr auch gefehlt.." wiederholte er , von ihm selbst unbemerkt immer wieder. "Ich hab ihr gefehlt.." freute er sich und wusste nicht, was er zuerst tun sollte. Sollte er sofort Shane schreiben? Aber vielleicht war es dafür noch zu früh. Auf der anderen Seite konnte er früher auch immer alles mit Shane teilen..und eigentlich betraf es auch ihn. Doch fürs erste beschloss Ray den Inhalt der Nachricht für sich zu behalten. Aber zumindest das konnte er Shane schnell zukommen lassen. "Hey Shane..Eileen hat auf mein Video reagiert. Sie weiß bescheid das ich komme und scheint nichts dagegen zu haben.... wünsch mir Glück!" hatte er seinem Freund geschrieben, damit er zumindest informiert darüber war. Er hoffte so sehr, das er während seines Besuches bei Eileen, ihm noch bessere Nachrichten schicken konnte.
Dann kehrte Ray zurück zu Eileens Nachricht, und klickte auf Antworten. "Alles klar, ich komme einfach vorbei.." begann er nervös zu tippen, und seit ewiger Zeit hatte er wieder sein altes, warmes Lächeln auf den Lippen. Alles nur, weil er an Eileen dachte, die für ihn noch immer heilig war. Der einzige, den er für unehrenhaft hielt, war er selbst. "Ich kann es schon gar nicht mehr erwarten. Ich bin sehr nervös...aber ich freue mich so sehr auf dich." fügte er nun an, etwas mutiger, und biss sich wieder auf die Unterlippe. Wenn er wüsste, wie Eileen über die Sache mit dem Hotel dachte, wäre er wohl überrascht gewesen. Er dachte viel mehr, dass es für sie weniger bedrohlich wirkte wenn sie nicht befürchten müsste, ihm eine Übernachtungsmöglichkeit zu stellen..selbst wenn das für ihn die schönere Varriante gewesen wäre. Aber wer wusste schon, wie es ausging? Ray wäre sicherlich der letzte, der nicht darum bitten würde bei Eileen schlafen zu dürfen, wenn er merkte dass es ihr durch seine Anwesenheit nicht schlechter ging. Aber er musste das alles erst eiunmal auf sich zukommen lassen. Diesmal war wichtig, das nichts schief ging. Er sah in Eileen einfach noch immer das Mädchen, dass er über alles liebte, und das er so schrecklich verletzt hatte obwohl sie immer süß...edel und treu gewesen war. Wie konnte er ihr nur eine Schwärmerei so zum Vorwurf machen? Er wusste das er heute nie mehr so impulsiv, unfair und bößartig reagieren würde. Eileen verdiente es wie eine Prinzessin beschützt und behütet zu werden..und er hoffte das er dafür noch einmal die Chance bekam. Er wollte Eileen zeigen, dass er so ein Mann sein konnte. Ein Mann auf den man sich verlassen konnte und der seinen schlimmsten Fehler aufs bitterste bereute. "Ich habe im übrigen auch Urlaub und viel Zeit. Und..Danke dafür, dass ich kommen darf." fügte er noch an, ehe er abschickte. Jetzt hoffte er dass die Zeit schnell verging und er endlich zu Eileen fliegen konnte. Auch wenn er noch immer aufgeregt war, hatte er nun doch einen heftigen Antrieb durch ihre kleinen Textnachrichten bekommen. Morgen wollte er noch ein kleines Geschenk besorgen..und während er nervös mit dem Knie wippte, überlegte er auch schon, was er ihr besorgen konnte.. und dann? Dann war es ohnehin nur noch eine Nacht, und er konnte endlich losfliegen.
Eileen dachte daran, dass sie auch noch viel zu erledigen hatte, bevor Ray kam. Zum einen musste sie die Wohnung putzen.. Nicht dass es unordentlich war, aber wenn sie besuch empfing musste schon alles perfekt nicht. Aber andererseits würde es Ray sicher gar nicht auffallen. So wie er aussah, musste ihm ihre kleine Wohnung schon blitzblank vorkommen. Und dann musste sie noch einkaufen und ein paar Sachen vorbereiten. Sie versuchte sich zu erinnern, was früher seine Lieblingsgerichte gewesen waren. Was Essen anging war keiner von ihnen sehr wählerisch, hauptsache der Magen war gefüllt. Aber jetzt war das ja anders.. Zumindest was Essen anging hatte sie nicht mehr sparen müssen. Ohne Hobbies blieb ihr am Monatsende immer etwas übrig. Sie nahm an, dass man wohl mit Steak nie etwas falsch machte... Dazu selbst gemachte Potato Wedges und Salat... Und natürlich ein Dessert, aber da war sie noch unschlüssig. Je nachdem wie es lief kamen sie vielleicht gar nicht dazu. Und so weit sie wusste, hatte Ray für Süßigkeiten nie viel übrig gehabt. Etwas kleines und herbes wäre da sicher die beste Lösung. Der letzte nicht ganz unwesentliche Punkt war dann noch, was sie anziehen sollte. Sie war immer schon schlank gewesen, in der Vergangenheit war jedoch irgendwann aus schlank mager geworden, und das konnte sie nur durch geschickte gewählte Kleidung etwas kaschieren. Im Gesicht sah man es ihr leider trotzdem an, weshalb sie ofter Schals oder Halstücher trug, um davon ein wenig abzulenken. Sorgfältig aufgetragenes Make-up half außerdem auch dabei, gesünder und frsicher auszusehen, als man sich tatsächlich fühlte. Sie wollte natürlich gut aussehen... aber gleichzeitig wollte sie Ray auch keine Sorgen machen. Sie glaubte, dass sie sich besser fühlen würde wenn er sah, dass sie gut zurecht kam. Zu sehr viel hatte sie es ja nicht gebracht, aber wenn man die Ausganssituation betrachtete - obdachlos, arbeitslos, ohne nennenswerte Schuldildung - hatte sie es doch zu ein bisschen was gebracht. Und innerhalb von zwei Tagen würde auch alles blitzblank und perfekt sein. Es war die nächste Nachricht, die sie aus ihren Überlegungen riss. Und es fiel ihr noch immer schwer, sie zu lesen. Zumindest aber spielte der kurze Anflug eines Lächelns über ihre Lippen. "Nun, du hattest dich ja praktisch schon selber eingeladen." antwortete sie ihm und spielte darauf an, dass er seinen Besuch im Video bereits angekündigt hatte. Es war auch schwer zu glauben, dass er sich wirklich auf den Besuch freute. Aber so musste es wohl sein. Ihre Unsicherheit gewann erneut die Oberhand. "Ich hoffe du hast einen guten Flug." schrieb sie deswegen nur noch, weil sie auch nervös war. Er war schließlich nicht irgendjemand.
Ray hatte sich keinen Schritt vom Sofa entfernt. Zu gebannt musste er auf sein Handy starren und hoffen, dass Eileen wieder antwortete. Das war ihr erster Kontakt seit Jahren..und das war für ihn einfach kaum zu fassen. Er rieb sich nur nachdenklich sein glattes Kinn und rutschte während seine Gedanken abdrifteten, über seine Wange bis zur Schläfe ab. Er hoffte so sehr dass er wieder Eileens Vertrauen gewinnen konnte..aber das konnte wiederum nur die Zeit zeigen. Geduld war jedoch nie eine von Rays Stärken gewesen, weswegen er innerlich so unruhig war und am liebsten schon sofort losgeflogen wäre. Bevor seine Gedanken jedoch tiefer in die Vergangenheit abdriften konnten, zurück an die schönen Tage mit Eileen und Shane, holte ihn das nächste vibrieren zurück in die Gegenwart. Nun, nachdem er mutiger die Nachricht öffnete, musste er schmunzeln. "Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Deswegen musste ich dich einfach sehen. War das auch nicht zu unhöflich von mir?"Fragte er, um ein wenig im Gespräch zu bleiben. Irgendwie fürchtete er sich davor das zu viel Stille einkehren könnte, nachdem er sich so sehr nach dem Kontakt zu Eileen gesehnt hatte. "Ich bin schon ewig nicht geflogen, aber das wird schon gut gehen. Ich schreibe dir auf jedenfall, wenn ich gelandet bin, und wann ich losfliege." tippte er, während er überlegte. Dann nickte er . Ein Geschenk musste er noch besorgen. Etwas süßes..zartes..etwas, wovon sie sich nicht erdrückt fühlte oder etwa unwohl. Ob sie sich über eine Haarspange freute? Sowas hatte er ihr früher zum Geburtstag geschenkt. Davor waren es Plüschkatzen gewesen, oder Teddybärchen. Bei diesen Gedanken musste er seufzen. Eileen sah früher immer so glücklich aus. Damals als er noch ihr großer Held gewesen war. "Ich hoffe das mit dem Video war okey. Ich seh vielleicht ein bisschen wild aus, aber du erkennst mich sicher wieder, wenn wir uns sehen." fügte er noch an, und dachte für sich, dass er sich wohl auch überlegte was er anzog. Irgendetwas freundliches.. helles. Vielleicht etwas das sie noch kannte? Da er selbst nicht gerade zugenommen hatte, passten ihm auch noch seine Klamotten die er vor den ganzen Jahren getragen hatte. Ray wollte nur absolut nicht bedrohlich wirken..aber er glaubte, dass es am besten war wenn er versuchte, Ruhe zu bewahren, und auf Eileen einzugehen. Ein paar Vorherkehrungen musste er noch treffen..aber zum Glück musste er wirklich nur noch einen Zeitraum überbrücken, den man in Stunden abzählen konnte. "Ich denke wirklich sehr oft an dich Eileen..bitte pass gut auf dich auf. Ich hoffe jeden Tag, das es dir gut geht und das dir nichtsb passiert."
Als die nächste Nachricht kam, war Eileen überrascht und ein wenig aufgeregt, aber sie hatte es schon geschafft, einen Teil von ihrem Apfel zu essen. Sie rief die Sms auf und las, wobei sie ein Lächeln nicht unterdrücken konnte. "Aber gar nicht." tippte sie. "So kenne ich dich ja schließlich." Die nächsten Worte musste sie sich ganz genau überlegen, aber letztlich traute sie sich doch. Es war sicherlich auch leichter zu schreiben, als es ihm ins Gesicht zu sagen "Ich habe dich auch sofort wieder erkannt. Du siehst älter aus und so erwachsen, aber immer noch sehr gut. Pass du auch auf dich auf." beendete sie schließlich die Nachricht. Sie konnte sich dabei nicht gegen den plötzlichen Anflug an Nostalgie erwehren der sie überkam und drohte, sich rasch zu einer Depression zu entwickeln. Das war jedoch auch etwas, das sie vor Ray lieber verbergen wollte. Im Alltag gelang es ihr auch sich völlig normal zu verhalten. Und für den Notfall besaß sie immer noch ein paar Beruhigungsmittel, die man ihr nach ihrem Selbstmordversuch verschrieben hatte. Dabei war es nicht so, dass sie unglücklich war über seinen Besuch. Es war viel mehr so, dass sie zu deutlich spürte, welche Lücke er in ihrem Leben hinterlassen hatte. So groß, dass nichts je vermocht hatte, sie zu füllen. Ihr Herz verlangte wirklich sehr nach ihm.
"Sehr..gut." wiederholte Ray die Zeilen, die Eileen ihm geschickt hatte. "Sie findet mich immer noch gutaussehend." freute er sich. Ray hatte immerhin schon Sorge gehabt, dass er ihr 'zu' hart und männlich wirken könnte. Immerhin konnte sowas auf verschüchterte Mädchen schon bedrohlich wirken. Und alles was er wollte war ja eben zu verhindern, das Eileen wegen ihm angst hatte. "Dann..dann stehen meine Chancen ja wirklich gar nicht so schlecht." freute er sich, und biss sich erneut auf die Unterlippe. Seinem Selbstbewustsein hat es auf jeden Fall gut getan, dass das Mädchen seiner Träume ihn gutaussehend fand. Wenn er das als Grundlage sah..musste er nur noch alles dafür tun um die zurück gebliebenden Verletzungen zu heilen. Und auch davor würde er nicht scheuen. Das hatte er sich fest vorgenommen. "Da hast du mir eben ziemlich geschmeichelt." tippte er deswegen etwas verspätet, weil er erst einmal die positiven Emotionen hatte verpacken müssen, um sie vollkommen zu erfassen. Er konnte gar nicht sagen, wann er sich das letzte Mal so gut gefühlt hatte. "So hübsch wie du bin ich zwar nicht, aber solange du findest dass ich gut aussehe, reicht mir das." fügte er schmunzelnd an. "Wenn ich da bin, gehen wir Eis essen wenn es schön warm ist. Ich lad dich ein." Versprach er dann voller Vorfreude. "Sollte das Wetter nicht schön sein, finden wir auch schon etwas anders womit wir es uns gut gehen lassen können. Ich möchte auf jedenfall jede Minute mit dir verbringen."
"Von wegen geschmeichelt.. du hast immer toll ausgesehen." tippte sie, mit einem Lächeln auf den Lippen zurück. Das Lächeln wich jedoch einem Stirnrunzeln als sie überlegte, was sie weiter schreiben soll. "Hoffentlich findest du mich auch noch hübsch. Du weißt ja gar nicht wie ich jetzt aussehe." schrieb sie dann. In dieser Hinsicht war sie immer schon etwas unsicher gewesen. Sie hatte immer geglaubt, nicht hübsch genug für Ray zu sein, und deswegen war es ja so weit gekommen, dass sie Sean kennengelernt hatte. Schneidern, Mode, Make-up, das war alles nur aufgekommen, weil sie ihm gefallen wollte. Am Ende jedoch hatte es nichts gutes eingebracht und sie hatte begriffen, dass Ray noch nie ein Modepüppchen gewollt hatte. Ihr war ihr Aussehen aber trotzdem wichtig. "Ich weiß leider nicht ob ich so kurzfristig frei bekomme, aber wenn nicht lade ich dich zu einem Eis ein in dem Cafe in dem ich arbeite." versprach sie ihm aber noch am Ende ihrer Nachricht. "Ich freue mich auf dich, bis bald."
Während Ray im Flieger saß und sich auf den Start vorbereitete, schaltete er noch einmal sein Handy ein. Während es startete, setzte er sich schon einmal die Kopfhörer auf um einen kleinen Film auf dem Bildschirm laufen zu lassen, der am Sitz vor ihm befestigt war. Eine große Auswahl hatte man nicht. Es gab nur einen Liebesfilm. Pretty Woman oder so.. aber nun gut, Ray war nicht wählerisch, solange das Programm ihm vom starten ablenkte. Er hasste es wenn das Flugzeug senktecht startete..aber sobald es sich in der Luft befand, flachte seine Panik auch schon wieder ab. "Hey schöne Frau. Ich bin nun im Flieger. Gleich geht es los." grüßte er liebevoll mit einem kleinen Smiley. Er hatte den Kontakt nie lange einschlafen lassen, und Eileen jeden Morgen, und jeden Abend geschrieben. Und wenn es auch nur ein gute Nacht war. Es war Ray wichtig, dass Eileen wusste dass er an sie dachte. "Es hätte einen besseren Boardfilm geben können, aber ich kann am Fenster sitzen. Das ist cool. Ich wünsche dir noch einen schönen Arbeitstag. Pass gut auf dich auf. Heute Nachmittag komme ich dann zu dir." schloss er mit einem Lächeln auf den Lippen. Dann schaltete er sein Telefon aus und steckte es in die Brusttasche, ehe die Stewardess ihm einen weiteren bösen Blick schenken konnte. Zum Glück war sein Sitznachbar genauso wenig an einem Gespräch interessiert, wie Ray selbst. So konnte er auch noch ein mal insich gehen und darüber nachdenken, wie sich alles in der letzten Zeit entwickelt hatte. Er hoffte nur, er konnte Eileen wirklich wieder zum Lächeln bringen. Dafür hatte er extra auch ein kleines Geschenk besorgt. Es handelte sich um eine Schatulle in Herzform. Sie war mit cremefarbenen, seidigen Stoff bespannt. Darauf befanden sich viele Stoffblüten die wirkten, als wären echte Rosen auf den Deckel genäht worden. Winzige kleine Perlen unterbrachen die Blütenlandschaft, die als Aufbewahrungsbox dienen sollte. Ray dachte, Eileen könnte dort Schmuck, oder eine Uhr oder ihre Haarspangen aufbewahren. Als er diese schöne Schmuckschatulle gesehen hatte, musste er jedenfalls sofort an Eileen denken. Deswegen hatte er sie gekauft. Im inneren der Schatulle befand sich ein kleiner Plüschbär mit einem Herzen zwischen den Pfoten. Er hoffte nur, das Geschenk war nicht zu kitischig..
Aber diese Gedanken musste Ray mit einem Kopfschütteln vertreiben. Er war sich sicher, dass Eileen sich darüber freute wenn er ihr zeigte dass er an sie dachte. Und er könnte ihr ja, wenn sie das Geschenk annahm, öfter Dinge schenken die sie vielleicht in die Schatulle legen konnte. Ja, vielleicht auch Fotos von ihnen beiden..Das hätte Ray auf jedenfall gefallen. Sie könnten ja Bilder mit dem Handy machen, und damit beginnen, wieder schöne Erinnerungen aufzubauen. Und das gemeinsam...
Der Flug zog sich für den ungeduldigen Blonden viel zu sehr in die Länge. Es war für ihn eine Wohltat nach den für ihn endlosen Stunden zu laden und wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Ray richtete seine Sonnenbrille, und zog sich sein lockeres Karohemd über das ärmelose, schwarze Strech-Shirt. Dazu hatte er eine Jeans gewählt die nicht wie vieler seiner Klamotten, zerschlissen war. Und auch wenn er ein paar Kilo weniger auf den Rippen trug, warf sie keine traurigen Falten um seine Beine. Ray wirkte wieder recht frisch, auch wenn er es nicht mehr geschafft hatte, zum Friseur zu gehen. Er hatte zumindest daran gedacht seine Haare zu kämmen. Nun musste er nur noch seine Tragetasche von der Gepäckausgabe abholen. Dann würde er sich ein Taxi rufen.
"Bin gut gelandet." tippte er nachdem er lässig die Tragetasche über die rechte Schulter geworfen hatte. "Bis gleich, ich freue mich so auf dich." fügte er noch lächelnd an. Dann empfing ihn auch schon das laute dröhnen der Straße. Die Flughafenhalle hatte er verlassen. Nun musste er nur noch in das nächste Taxi steigen, und sich bis zu Eileens Wohnung bringen lassen. Auf der Fahrt stieg sein Puls wieder rasant an. Was ist, wenn sie sich jetzt doch vor ihm fürchtete? Oder sie nicht da währe, oder ihr das Geschenk doch zu viel war..oder oder oder. Ray glaubte, aus Nervosität würde ihm noch eine ganze Litanei an Kontras einfallen, die dagegen sprachen das Eileen sich über seinen Besuch freute Aber er musste es auf sich zukommen lassen. Er durfte auf keinen Fall jetzt aufgeben.
Als Eileen ihm geschrieben hatte, dass er ja gar nicht wüsste wie sie jetzt aussieht, hatte er das sehr süß gefunden. Mit diesem Gedanken lenkte er sich auf der Fahrt zu Eileens Wohnung ab. Er hatte ihr geantwortet dass sie für ihn immer das hübscheste Mädchen sein würde, und er immer von ihr begeistert wäre, egal wie sehr sie sich verändert hätte. Auf der anderen Seite hatte er sich aber nicht vorstellen können, dass Eileen sich je so sehr verändern könnte, dass er sie nicht wieder erkannte. Sie waren so lange Zeit befreundet gewesen..er glaubte er würde sie an jedem Mimikzeichen erkennen..jeden Wimpernaufschlag und jedem gekräuselten Lächeln..oder der Art wie sie an ihrer Haarsträhne zupfte wenn sie nachdachte. Während Ray schwärmte , hatte das Taxi auch schon gehalten. Ray drückte dem Fahrer ein paar Scheine in die Hand, welche als Bezahlung ausreichend gewesen waren. Dann musste er nur noch aussteigen und noch einmal tief Luft holen.Er hatte die Sonnenbrille weg gesteckt und dafür das Geschenk heraus geholt, dass er lieber von Sai hatte einpacken lassen, weil er selbst so ungeschickt mit Geschenkpapier gewesen war. Es war ein hübsches, hellblaues Papier gewesen mit Rosa- Schleife. Seine Tragetasche hatte er derweil wieder über seine Schulter geworfen. Nun musste er nur noch zur Wohnung seiner Liebsten laufen. Der Eingangsbereich war geöffnet, weswegen er in den Flur schlüpfen konnte, und schließlich nur noch ein paar Treppen steigen musste bis er endlich am gewünschten Ziel angelangt war. Ray hätte schwören können, er hörte seinen Pulsschlag im Ohr rauschen. Aber obwohl er so aufgeregt war, schaffte er es zu klingeln, und ganz leise zu klopfen. "Hallo Eileen, ich bin es.." rief er nach seinem kurzen Klopfzeichen. So hatte er sich zumindest auch früher immer gemeldet, wenn er bei Eileen und Shane zu besuch gewesen ist. Daran konnte sie sich sicher auch noch einnern. Nun musste Ray sich jedoch noch einmal kurz gedulden, ehe er seine Arme um das Mädchen schlingen konnte, dass er so vermisst hatte..