Rays leise Schritte führten ihn über den Flur des Wohngebäudekomplexes. Er hatte die Hände tief in seine Jackentaschen vergraben und lief leicht nach vorn gebeugt. Zu verbergen hatte er nichts..aber er fühlte sich schwer auf der Brust. Er hatte seinen Freund Shane lange nicht gesehen..und sich nun dazu entschlossen, an diesem Zustand etwas zu ändern. Der Streit hatte ziemlich viel kaputt gemacht und lag lang zurück. Ray blieb nur zu hoffen, das sein Freund Shane sich genauso leer ohne ihn fühlte, wie es bei ihm der Fall war. Vor dessen Tür angekommen, hielt er kurz inne. Ein leiser Atemzug verließ Rays Lippen, ehe er klingelte. Als er sich dazu überwunden hatte, erhob er seine Stimme leise. "Shane? Ich bin es." kündigte er sich leise an, uns biss sich kurz auf die Unterlippe. " Hast du vielleicht etwas Zeit für mich?"
Er hatte auf seinem Bett gelegen, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Augen geschlossen. Seine Ohren waren von den Kopfhörern bedeckt, die sein Markenzeichen waren. Aber eigentlich waren sie mehr sein Bollwerk gegen die Realität. Jetzt sogar noch viel mehr als früher. Während er die Musik hörte, hörte er sie eigentlich gar nicht richtig. Alles um ihn herum war grau und verschwommen, wie ein Schleier vor seinen Augen oder ein Strudel, aus dem er nicht entkommen konnte. Irgendwo hatte er immer schon einen Rückzug von der ihn umgebenden Welt gelebt; er war schüchtern, introvertiert, melancholisch... und unter diesen Eigenschaften verborgen: depressiv. Im Alltag war es nicht aufgefallen, er hatte schließlich früh Verantwortung übernehmen müssen. Er hatte eine Schwester gehabt die er liebte, und die sich auf ihn verließ, und er selbst hatte auch einen Freund gehabt, auf den er sich verlassen hatte. So war es wohl gewesen, erinnerte er sich, auch wenn andere ihn wegen seiner Schweigsamkeit für lässig oder cool gehalten hatten. Jetzt, während er zusah wie die Schatten tiefer und länger wurden, kreisten seine Gedanken darum, dass er nie ein richtiger Mensch gewesen war. Er hatte nur alles dafür getan, um vozugeben dass er einer sei. Der Mensch, der er sein wollte, sein Arisato. Am Ende war er nur ein künstlich gezeugtes, genmanipuliertes Scheusal. Die Zukunft gehörte vielleicht einmal den Designerkindern, aber er war nur vorzeitiger Ausschuss.. Seine Gedanken wurden langsamer und langsamer, während er selber immer tiefer in eine Depression schlitterte. Und warum sollte er auch nicht? Er war derzeit als Reservist eingeteilt und hatte keine Ahnung, wann man ihn abberufen würde. Er glaubte sogar, dass es gar nicht schlecht wäre, wenn der nächste Einsatz ihn zerbombte. Einen Lebenszweck besaß er sowieso nicht mehr... Er musste eingenickt sein über seine Gedanken, denn als er die Augen wieder aufmachte, war sein Mp3 Stick ausgegangen, und seine Kopfhörer verrutscht. Er fühlte sich sogar noch matter als vorher und wäre am liebsten sofort wieder eingeschlafen, als er eine Stimme hörte. Es dauerte einen Moment, bis er sie zuordnen und der Realität zuschreiben konnte, und sie nicht fälschlicherweise als Ausläufer eines Traums abtat. Wahrscheinlich hatte die Klingel ihn geweckt. Es kostete ihn einiges an Energie, sich auf die Seite zu rollen und die Kopfhörer abzuziehen; sie waren ohnehin nutzlos, bis er den Stick aufgeladen hatte. Ein Blick an sich herab verriet, dass seine Kleidung knittrig war, aber das ließ sich jetzt nicht ändern. Er fuhr sich zumindest durch die Haare, während er zur Tür ging. Er zog sie ein Stück auf, und da stand er, in Fleisch und Blut. Shane musste den Kopf heben, da Ray einen halben Kopf größer war als er. "Hey.." nuschelte er und konnte nicht länger als eine Sekunde den Blickkontakt aufrecht halten, bevor seine Augen woanders hin huschten. "Was gibt es denn?"
Ray schluckte schwer, als er das knacken der Tür vernahm. Shane war da gewesen, und unwillkürlich strafften sich die Schultern des wartenden Rays. Seine Augen hatte er die ganze Zeit auf den Türspalt gerichtet gehabt, um die Umrisse seines Freundes zu erhaschen. Er wirkte müde, und seine blauen Haare hingen tief in sein blasses Gesicht. Shane wirkte nervös..verletzlich und auch scheu. Genauso wie Ray ihn in Erinnerung gehabt hatte. Sein Herz wurde bei den Gedanken an ihre gemeinsame Zeit noch schwerer. Wie sehr hatte er ihn nur vermisst? "Hey.." erwiederte er auch leise, und hatte eine eine Hand in den Nacken gelegt, um sich irgendwo festzuhalten. "Ich wollte fragen, ob wir reden können." fügte er dann mit einem nicken an, und suchte vorsichtig Shanes Blick. Und das war gar nicht so einfach gewesen, wie sich herausstellte. "Ich vermisse dich so sehr..und es tut mir überhaupt so leid, dass ich so lange damit gewartet habe, es dir zu sagen und mich bei dir zu melden." rückte er dann mit der Sprache raus. "Ich wollte mich entschuldigen..meinst du, wir könnten ein wenig reden, oder uns irgendwo treffen, um uns auszusprechen? Es muss auch nicht sofort sein, wenn du gerade nicht möchtest oder keine Zeit hast..." bot er an, weil er nicht wusste wie Shane auf diesen ungeplanten Besuch reagieren würde. Er wollte ihn nicht verschrecken und ließ deswegen ein paar Optionen offen, um es Shane einfacher zu machen. Natürlich konnte es auch sein, dass er gar nicht mit ihm reden wollte, und ihn nie wieder sehen wollte. Aber trotzdem musste Ray es versuchen, die Beziehung zu seinem besten Freund zu retten. Die Sehnsucht nach ihm, war einfach so groß..