Umrisse zeigten sich nur vage. Verschwommen konnten der langsam routierende Ventilator ausgemacht werden, der an der Decke vor sich hin surrte. Beim nächsten Augenaufschlag der die röte des Raumes mit schwärze ausglich- zeigte sich ein verschlossenes Fenster über einen ungenutzten Schreibtisch. Das Rollo war nur heruntergezogen und ließ keine Tageszeit vermuten. Die Augen aus deren Blickwinkel diese Eindrücke wahrgenommen wurden, schlossen sich daher lieber wieder. Es war angenehmer den Geräuschen zu folgen, als dem was das Auge unter Anstregung bot..jedoch auch nicht für lang. Raiden, der Mann der sich in den weißen Laken wälzte bemerkte dass er nicht mehr rasten konnte und damit auch nicht die Ruhe wahrnehmen konnte die er so gern gehabt hätte. Es war wieder einer dieser wiederkehrenden Wiedersprüche die ihn daran hinderten dass zutun was er eigentlich wollte. So viel schien vorherbestimmt...so viel entschieden. Und somit auch dass Ruhe von Schreien und Munitionsgeräuschen gefüllt wurde..von Schüssen und die Erinnerungen an Rauch der den Hals austrocknete.
Raiden, der auf den Rücken lag spürte dass sein Hals wirklich rauh gewesen war- gleich den Lippen und stützte sich mit einem Arm von dem Bett auf dem er lag ab. Im sitzen bemerkte er bereits- wieder Arm langsam nachgab und seiner Last entsorgt werden musste. Der blonde presste daher die Hand an seine Stirn weil er die Erfahrung gemacht hatte dass es ein wenig gegen das Taubheitsgefühl half dass ihn neuerdings öfter überfiel. Auf der Krankenstation hatte man ihm gesagt dass wohl einige Sehnen verkürzt und überanstrengt waren, und sich deswegen entzüdet hatten. Die folge war das einnehmen von Medikamenten die bisher nur noch keine Erlösung gebracht hatten. Sie machten ihn nur müde- hatte er bisher festgestellt. Triste Gedanken machten sich immer in ihm breit und ließen die kräftigen Finger im Laken des Bettes verschwinden. Er musste sich ablenken.. musste aufhören daran zu denken vielleicht untauglicher zu werden- und dass ohne im Austausch an die Vergangenheit zu denken. All das hatte ihn nie weit gebracht- und er sah sich auch davon entfernt in Erinnerungen gern zu schwelgen.
Zumindest dahingehend schien ihm sein Kopf seit einiger Zeit immer eine Option zu stellen: er dachte zuweilen immer wieder an die selbe Person. Einen jungen Rebellen der ihrer Gruppe vor einigen Jahren beigetreten ist und seitdem hilft wo er nur kann. Er weist dabei Geschick und Talent in vielen Bereichen auf- und verliert dabei nie seinen schier grenzenlosen Idealismus. Das hatte Raiden seit einiger Zeit sehr beschäftigt..und das sogar so sehr dass er seine eigenen Gedanken ein wenig bei Seite schieben konnte. Der junge Rebell war jedoch auch nicht gut einzuschätzen- da man kaum etwas privates von ihm hörte. Soweit Raiden mitbekommen hatte, pflegte der Rebell keine großen Bekanntschaften..schien seinem Gefühl nach zu urteilen- welche zu gebrauchen. Raiden konnte es nicht anders beschreiben, als den Jungen sehr 'warm' einzuschätzen..einfach freundlich und gütig, viel zu gütig für ein so rauhen Alltag den er ganz allein durchlebte.
Raidens Augen, die klar und durchdringlich schienen wurden schmäler- verliehen dem eher deffinierten Gesicht einen müden Ausdruck dem nichts von der Gefährlichkeit und Härte anhaftete die viele Leute in ihm sahen wenn sie ihn nicht kannten. Er beschloss, dass es ihm nichts schaden würde es auf einen Versuch ankommen zu lassen Clive besser kennen zu lernen. Das war der Name des Rebellen- hatte er herausgefunden. Vielleicht konnte er wirklich etwas in ihm finden, dass seine Intuition bisher dazu veranlasst hatte sich auf diesen Rebell zufixieren. Seine Geschichte und sein Wesen zu ergünden versprach Raidens Hoffnung ein bisschen mehr wieder von Menschlichkeit zu Gesicht zu bekommen. Denn seine Augen wollten sich langsam garnicht mehr öffnen- gab es doch kaum noch etwas gutes was sie wahrnehmen konnten.
Für diesen -für ihn- raschen Entschluss, musste er sich jedoch erst aus seinem Bett erheben- und in ein Paar Schuhe schlüpfen dass sich am Rand des Bettes befand. Da sie sich derzeit in einer ruhigen Phase befanden und es für Raiden keine Aufträge gab, konnte man ihn auch in zivieler Kleidung vorfinden. Das lange Haar trug er offen über ein schwarzen, an der Brust weitgeschnittenen Pullover, der seine Muskeln nicht so stark deffinierte. Eine helle Jeans rundete das Bild schließlich ab und kostete nicht mehr wie einen flüchtigen Blick in den kleinen Spiegel über dem Handwaschbecken- nachdem er es ohne weiteres ächzen auf dem Weg gewesen war sein Zimmer zu verlassen. Mehr wie seinen Schlüssel hatte er nicht mitgenommen.. und es gab nur einige Orte an denen sich Clive nur nun befinden konnte. Sein Glück versuchte Raiden zunächst bei den Räumlichkeiten des Rebellen- und steuerte daher zielgerichtet und mit würdevollem Gang Clives Zimmer an. Schatten die seine Umrisse auf dem Boden wandern ließen- konnten erahnen lasses dass es sich um den späten Nachmittag handelte. Äußerlich zeigte sich zumindest in der Anspannung des Körpers keine Aufregung.. Raiden senkte nur den Kopf etwas, als er die Tür des Rebellen erreicht hatte um dagegen zu klopfen. "Hallo?Ist jemand da?" fragte er gedämpft- aber dennoch mit kräftiger Stimme an. Eine Strähne die er sonst über dem Auge trug löste sich dabei und fiel über seine leicht gerunzelte Stirn. "Hier ist Raiden.." nannte er noch seinen Namen, und konnte nichts tun, außer zu warten und vielleicht Antwort zu erhalten. Es waren ihm dabei auch wieder einige Sekunden damit vergönnt- über nichts nachzudenken. Das hier und jetzt füllte ihn vollkommen aus.
Schweigen, das mir Fragen stellt, und keine Antwort gibt auf mein Warum. Unsichtbare Blicke, an denen ich ersticke. Der Schatten der mir folgt- ich glaube, eines Tages bringt er mich noch um.
Clive bewohnte einen kleinen Raum im Herzen des Rebellenlagers. Auf die Größe des Raums kam es dabei nicht an, sondern mehr darauf, dass er hier einen kleinen Bereich der Privatsphäre besaß, die er bitter nötig hatte. Aufgrund seiner Berufung als Rebell war er mal hier, mal da.. um so wichtiger war ihm diese kleine Konstante, da er sonst zumeist in Wägen auf Reisen schlief, oder in zufällig ausgewählten Räumlichkeiten mit seinen Kameraden.. Es war vielleicht nicht unbedingt das Leben, das er sich erträumt hatte als er noch jünger war, aber er glaubte, dass es ein gutes Leben war. Besser, als in geheuchelter Gesellschaft die Augen vor allem zu verschließen was unangenehm war. Als ob das Schlechte verschwinden würde, wenn man nur nicht hinschaute. Unbemerkt ballte sich seine Hand zur Faust. Es kam immer wieder vor, dass er sich in diesen Grübeleien verlor, die ihn früher depressiv gemacht hatten, aber jetzt nur noch einen stillen, aber dafür schwelenden Zorn in seinem Herzen entfacht hatten. Seine Abscheu wuchs von Jahr zu Jahr, und für jeden der wegschaute sah er es als Pflicht, seine eigenen Anstrengungen zu verdoppeln und mehr zu leisten bis.. ja, bis er eines Tages sein Ziel erreichen würde.
Er schüttelte matt den Kopf, die geballte Faust öffnete sich nur langsam, als er auf das Foto blickte, das flach und an den Rändern schon ausgefranst in seiner anderen Hand lag. Es zeigte das Bild eines schwarzhaarigen Kindes, fast schon Teenagers. Die kindlichen Gesichtszüge wiesen so starke Ähnlichkeit mit Clive auf, das man meinen konnte es sei ein altes Foto von ihm selbst, tatsächlich aber handelte es sich um das einzige Foto seines Bruders, das er noch besaß, und das er wie einen Schatz hütete. Tatsächlich war es sein Talisman und er trug es immer bei sich. Irgendwann, so ermutigte er sich immer wieder selbst, würde er zu seinem Bruder zurückkehren und ihm alles erklären.. dann, wenn er die Welt besser gemacht hatte, für sie beide und für alle, die nicht die Macht hatten, etwas zu ändern. Er dachte an all die Opfer und war - trotz der Schwere seines Herzens - sicher die richtige Wahl getroffen zu haben. Selbst wenn er etwas hätte ändern können, war er sicher dass er es wieder genauso machen würde. Es war der Weg den sein Gewissen ihm vorschrieb, und wenn er weiter in den Spiegel blicken wollte, so musste er ihm folgen, egal wie die Konsequenzen waren.
Er schreckte erst dann aus seinen Gedanken, als er das Klopfen an seiner Tür vernahm. Ohne dass er es wollte, zuckte er zusammen und fasste nach seinem Portemonnaie, in welches er rasch das bis dahin betrachtete Foto zurück steckte. Im ersten Moment hatte er schon befürchtet, es wäre etwas geschehen, weshalb er automatisch aufgesprungen und nach seinem langen schwarzen Ledermantel gegriffen hatte, den er über einen Stuhl gehängt hatte. Er war gerade erst halb hinein geschlüpft, als er die Stimme desjenigen vernahm, der anklopfte. Warm klang sie, wenn auch durch die zwischen ihnen liegende Tür gedämpft, und im ersten Moment konnte er überhaupt nicht zuordnen, zu wem sie gehörte. Es kamen und gingen ja auch immer mal wieder Leute, er konnte nicht jeden kennen... Während er noch nachdachte und gerade in den zweiten Ärmel schlüpfte folgte aber auch schon eine Erklärung. Raiden, ja.. den kannte er. Allerdings zogen sich seine dünnen Augenbrauen fragend zusammen. Was konnte der von ihm wollen? Halb und halb darauf vorbereitet, dass es doch ärger gab verschwand das Portemonnaie in seiner Tasche, während er zur Tür schritt. Gekleidet war er nun so wie immer, ganz in schwarz mit seinen auffälligen, rot-schwarzen Haaren und dem langen Ledermantel, geschmückt mit ein Schmuckstücken, die meisten eine Kombination aus Leder und Silber. "Ich bin hier... Moment!" antwortete er, während er sich noch einmal die wirren Haare zurecht strich, so dass einen Moment lang die silbernen Ohrringe hindurchblitzen konnten, die sein Ohr zierten. So gerüstet konnte er dann auch die Tür öffnen - und fast direkt in Raidens Gesicht schauen. Dieser war zwar groß, aber Clive war auch nicht gerade klein, nur schmächtiger, schmäler. "Ist was passiert?" fragte er und blickte kurz an Raiden vorbei, der Gang war jedoch leer und zeigte keine hektisch herumeilenden Leute, so dass sein Blick fragend wieder zu dem Gesicht des Rebellen streifte. Man kannte sich.. aber direkt Kontakt hatten sie bisher nicht gehabt. Raiden war einiges älter als er, dessen kantige, zuweilen irgendwie harten Gesichtszüge konnten einschüchternd wirken, weswegen ihn auch die Stimme erst irritiert hatte und keinen rechten Bezug herstellen konnte... dennoch fühlte er sich von dem Größeren nicht wirklich bedroht - oder geängstigt. Er wusste nur nicht direkt, wie er auf ihn zugehen sollte, oder überhaupt auf andere... es war wohl eine tief im Inneren versteckte Angst oder Scheuheit, die ihn zögern ließ in Kontakt zu treten. Es sei denn, man signalisierte ihm, das man den Kontakt zu ihm suchte. Deswegen konnte er auch nur einen fragenden Blick an Raiden richten.
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Raiden war ein sehr gedulidger Mensch. Wenn er eines sicher wusste- dann dass es für alles eine richtige Zeit gab und man sich dem eintreten des Zeitpunktes nur zu fügen brauchte. Schnelles und präzisies reagieren war das Resultat dieser Einstellung- und viele der älteren Rebellen hatten ihn darum gebeten- dies an die jüngeren ihrer Gruppe zu tragen. Raiden sollte ihnen beibringen Ruhe zu ebwahren udn Struktur in ihr handeln zu bringen..und das gelang oft mit Erfolg. So wie er auch mit Strenge handelte, handelte Raiden auch mir Fairness und dem eindringlichen Eingehen auf jede einzelnde Persönlichkeit. Dabei war der gewisse Eigenutz aber auch nicht auszugrenzen. Denn es würde wohl kaum nocheinmal jemanden geben der so sehr nach Menschlichkeit im Menschen suchte, wie Raiden. Dieser spürte nur wie ihm immer mehr das Vertrauen zum Menschen entglitt..und dass- so glaubte er würde ihn irgendwann Wahnsinnig machen, wenn er sich zu sehr von seiner eigenen Rasse distanzierte. " Gut." antworte Raiden daher nur und senkte über die tiefblauen Augen wieder die Augenlider- bis nicht mehr in seinem Sichtfeld blieb, als das Türschloss. Hinter diesem vernahm er nur rascheln- bis das rascheln schließlich deutlicher wurde und das öffnen der Tür folgte.
Entgegen sprang ihm förmlich der lebendige Blick des jungen Rebellen Clive- der zunächst ihn ansah bevor er den Gang hinter der muskulösen Erscheinung nach weiteren Menschen absuchte. "Ich bin allein." wählte Raiden seine Worte knapp und begegnete Clive mit einem offeneren Blick. Dabei konnte man die viel hellblaueren Sprenkel ausmachen die sich in das blau der Augen gemischt hatten- und ein schönes Mosaik bildeten..so wie es sonst nur die Wellen auf dem Meer schafften, oder Erschütterungen auf einem sonst ruhigen See. "Ich wollte mit dir ..sprechen.." Raidens Stimme wurde erneut tiefer und hatte nicht diese bestimmende Distanz im Unterton, die andere Abstand nehmen ließ, als wollten sie sein Wunsch nach Ruhe akzeptieren und wahrten damit Respekt. Einsamkeit war nur nicht unbedingt das, was immer half- wenn die äußere Erscheinung darauf schließen lässt. Bei Clive war das ein ähnlicher Fall. Zumindest hatte Raiden Hoffnung darauf.. "Hättest du etwas Zeit für mich?" fragte der ältere deswegen an und hob das gesenkte Kinn empor. Sein Blick begegnete dabei dem Clives direkt. " Wenn du nicht möchtest dass ich rein komme, können wir auch ein Stück zusammen gehen.." schlug er vor, da ihm einfiel dass nicht jeder davon begeistert war einen doch halb Fremden in da kleine bisschen Reich einzulassen dass man für sich selbst hatte. Noch konnte er Clive zu wenig einschätzen; und formte eine leichte Faust- die es ihm ermöglichte mit dem Daumen über das Gelenk des Zeigefingers zu streichen. Und dies an dem Arm der entgegen der aufkeimenden Aufregung immer ruhiger wurde.
Clive war auf seine Weise für Raiden ganz exotisch. Ohringe hatte er nie bei einem Mann gesehen- genauso wie viel Schmuck oder auffällig gefärbte Haare. Es war jedoch keine Ablehnung oder Vorurteil was daraus resultierte- sonderen Interesse das hinter seinen schmalen Lippen verschlossen- unausgesprochen blieb.
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Dass Raiden allein war, sah Clive zumindest. Er konnte mit der Information deswegen im ersten Moment gar nichts anfangen und blieb daher stumm, erwartungsvoll. Es gab immerhin nur ein mindestmaß an Routine, keiner konnte wirklich sagen, was der nächste Tag brachte, auch wenn sie inzwischen schon ziemlich gut organisiert war. "Mit mir sprechen?" wiederholte er daher fragend. Er konnte sich nicht einmal annähernd denken, um was es dabei gehen konnte. So weit er wusste, gab es auch mit niemandem Probleme.. er hatte keinen Ärger gemacht und auch nicht vor gehabt, welchen zu machen. "Ähm.. klar." sagte er daher, halb und halb besorgt auf die Frage hin ob er etwas Zeit für ihn hatte. Er war nun nicht nur besorgt, sondern auch nervös. Es mochte an Raidens Erscheinung liegen, dem Altersunterschied, oder etwas ganz anderem, Clives Gefühle waren zu verworren, als das er hätte definieren können was es nun genau war. Erst, als Raiden sein zögern wohl für den Versuch hielt, ihn von seinem Zimmer fern zu halten, fasste er sich mit einer fahrigen Bewegung an die Stirn und trat ein Stück beiseite, um die Tür ganz zu öffnen. "Nein, ist schon okay.. du kannst ruhig reinkommen." meinte er dann aber.
Er war gar nicht auf die Idee gekommen, dass man seine Verwirrung so missdeuten konnte. Er war Besuch nur einfach nicht gewohnt, das aber konnte er Raiden nicht sagen. Er hatte immerhin keine Ahnung, ob es sich um einen Höflichkeitsbesuch handelte, oder etwas ganz anderes. Sein Zimmer war wirklich klein, nur wenige Quadratmeter, aber es bot genug Platz für das nötigste, ein schmales Bett, einen Schrank und einen kleinen Schreibtisch samt Stuhl. Regale, die so aussahen als hätte man sie selbst zuammengebaut und an den Wänden befestigt beherbergten ein paar persönliche Sachen. Bücher konnte man sehen, eine Vase mit einer getrockneten Rose und sonstiger Krimskrams, ein paar Kosmetikartikel... Seine Kleidung und die Schuhe hatte er wohl im Schrank untergebracht, da man keine herumliegen sah. Auf dem Schreibtisch lagen ein paar Stifte durcheinander, Papierfetzen stapelten sich, das Bett selbst war weder gemacht, noch ungemacht, da Clive bis eben noch darauf gesessen hatte. "Setz dich ruhig.." meinte er und wies dabei auf den einzigen Stuhl, der zur Verfügung stand, nachdem er hinter Raiden die Tür wieder geschlossen hatte. Ihm war mulmig, weil er nicht wusste was nun auf ihn zukam. Er selbst stand noch einen Augenblick zögerlich im Raum, wobei er die Hände ineinander verschränkte, zusammenpresste und dann krampfhaft wieder löste, bevor es ihm auffiel und er sie der Einfachheit halber in die Jackentaschen steckte. "Also.. um was geht es denn?" begann er dann das Gespräch, auf das Schlimmste gefasst, was immer 'das Schlimmste' auch sein mochte. Er quetschte sich an Raiden vorbei und ließ sich auf das Bett plumpsen, noch immer mit den in den Taschen vergrabenen Händen, bevor er mit leicht gesenktem Kinn zu Raiden aufschaute.
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Raiden fühlte sich wohler als Clives Verwirrung sich insoweit löste- dass er anbieten konnte ihn einzulassen. Darüber hinaus ließ sich auch feststellen dass der junge Rebell mit seinem eigensinnigen Geschmack doch etwas schüchtern war. Und das machte ihn umso sympatischer. "Danke." war die logische Schlussfolgerung und wurde von Raiden durch ein knappes Nicken ergänzt. Dann schob er sich auch schon in den kleinen, aber gemütlichen Raum. Raiden war enge nicht nur durch seinen hohen Wuchs bekannt der ihm manche Türen zu niedrig machte. Er kannte sie aus kleinen Lagern die er früher bewohnt hatte- Ruinengemäuer und Keller. Clives Raum jedoch glich nichts dieser Beispiele wie Raiden mit streifenden Blicken feststellte. Das Zimmer hatte durchaus Charme- glänzte durch persönliche Gegenstände auf wie die getrockneten Rosen die Raiden besonders ins Auge stachen, und deren Beweggründe ihn interessierten- insofern welche dafür bestanden hatten.. oder vielleicht immer noch Bedeutung hatten? Es war für den hochgewachsenen Blonden nicht einmal typisch so viel Spielraum für Überlegungen zu lassen- aber das rührte allein von dem Interesse her, für dass er sich auch auf den angebotenen Stuhl am Schreibtisch niederließ. Einen Arm legte er über die hölzerne Lehne- die Beine wurden an den Knien überschlagen.
Erst jetzt konnte Raiden den Kopf so drehen dass er durch die einfallende Strähne hindurch Clives Gesicht erkennen konnte. Es sah fragend aus.. etwas unbeholfen- aber das war etwas was das große- aber versteckte Herz des Hünen zu erwärmen wusste. " Es ist nichts schlimmes.." konnte man dem kopfschüttelnden Raiden fast schon zumuten Gedanken zu lesen- doch dass erschloss sich für ihn allein aus Clives durchscheindener Unsicherheit. " Ich wollte wissen wie es dir hier geht.." leitete er ein und verlor sich mit dem Blick in die Regale die über Clive hingen. Sein Mund blieb dabei um einen winzigen Spalt geöffnet und unterstrich den träumerisch- anmutenden Blick des sonst eher regungslosen Gesichtes voller Härte. "Ich wollte dich kennenlernen." wurde er dabei genauer und fasste dabei wieder Clive ins Auge. "Mir ist aufgefallen dass du überall bist, wenn man dich braucht. Aber dafür..bist du für dich immer allein." fasste er seine Eindrücke zusammen, selbst wenn ihm bewusst sein sollte dass dies ziemlich direkt war. "Mir geht es da fast ähnlich.." musste er zugeben und umgriff die Lehen mit seinem gesammten Unterarm, dessen leichte Muskeln sich unter dem leichten Stoff des Pullovers erahnen ließen. " Zumindest gehe ich davon aus, ich kann mich auch irren.. jedenfalls sehe ich in deinen Augen etwas, und seitdem es mir aufgefallen ist, möchte ich dich besser kennenlernen, insofern du nichts dagegen hast." fuhr Raiden fort und ließ sein Blick beiläufig über die Rosen gleiten.Noch wollte er seine Gedanken über Clive noch etwas zurückhalten- um zusehen ob der Rebell an so einer Bekanntschaft Interesse hatte.. aber allein mit ihm in einem Raum zusitzen und ihn beim sprechen ansehen zu können, verschaffte Raiden .."Frieden." murmelte er das vernommene Gefühl leise- dass ihn von innen heraus wärmte.
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Etwas konnte Clive sich entspannen, als er vernahm dass es 'nichts Schlimmes' war, das Raiden zu ihm geführt hatte. Er war dennoch noch wachsam und blickte schließlich überrascht drein, als Raiden ansetzte. "Wie es mir geht?" wiederholte er deswegen verblüfft die Worte. "Gut, denke ich.." setzte er an. "Ich bin doch schon lang mit dabei.. da gibts keine Probleme." nickte er, betrachtete Raiden jedoch immer noch mit vorsichtigen, wachsamen Augen in denen eine leichte Unruhe flackerte. Da es auch bekannt war, dass Raiden sich oft um die jüngeren, oft ungestümeren Mitglieder kümmerte, bestand aus Clives Sicht immer noch die Gefahr, dass es irgendwelche Probleme mit ihm gab - auch wenn ihm beim besten Willen nicht einfallen wollte, wer diese haben sollte. Es war nur bisher auch noch nicht vorgekommen, dass jemand sich einfach so nach seinem Befinden erkundigt hatte..
"Naja..." murmelte er etwas verlegen. Es stimmte, dass er ein Allrounder war, ziemlich fleißig und an allen Ecken und Enden einsprang wenn es nötig war.. aber für ihn war das selbstverständlich. Da er neben diesen ganzen guten Eigenschaften auch noch bescheiden war, fiel es den anderen nur meist gar nicht auf. "Ich tu mir wohl etwas schwer, auf andere zuzugehen." meinte er dann und tat seine Aussage mit einem Achselzucken ab, wobei ein Verlegenheitslächeln über seine Lippen spielte. Nach außen gab er sich ohnehin lieber rauh, mürrisch.. oft auch wortkarg. Wenn es aber vorkam, dass ihn jemand nach seiner Meinung fragte, war er aber auch gesprächiger. Er blinzete deswegen auch und neigte interessiert den Kopf ein wenig zur Seite, um Raiden zu betrachten, der sogar ein ganz klein wenig von sich selbst preis gab. "Ich.. ähm.. glaube nicht, dass ich was dagegen hab." murmelte er dann. Nur die in den Taschen vergrabenen Hände hielten ihn davon ab, sich wieder verlegen durch die Haare zu streicheln. Raiden hatte ihn überrascht, war ziemlich direkt zur Sache gekommen und hatte Clive damit die Chance genommen, sich hinter seiner Fassade zu verstecken. Dass er sich auch weiterhin nicht zurück zog lag vor allem an dem Umstand, dass er sich von seinem ungewöhnlichen Besucher nicht bedroht fühlte. Sicher, sie waren sowieso ein bunter Haufen, man sah alle Gesellschaftsschichten vertreten, aber dennoch gab es auch in dieser Gemeinschaft Außenseiter.. und genau von solchen fühlte sich Clive schon immer angezogen. Da war zum Beispiel Seth McKenzie, dessen kleinen Freund viele für einen Autisten hielten.. während der eine mit jedem gut Freund war und fast wie eine Sonne seine Umgebung zum erstrahlen brachte, blieben Clives Augen doch jedes mal bei der auf den ersten Blick unscheinbareren, schwarzhaarigen Gestalt hängen. Andersartigkeit zog ihn an.. verletzte Seelen übten auf ihn eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus, da es ihm ein Grundbedürfnis war in Ordnung zu bringen, was schief lief... und etwas an Raiden zog ihn ebenfalls an, auch wenn er sich von selbst nie getraut hätte, ihn anzusprechen. Gerade wegen dem Altersunterschied.. "Was hast du gesagt?" musste er daher noch einmal nachfragen, da er nur ein gemurmeltes Wort verstanden hatte, es aber zu leise gewesen war um es zu hören.
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Raiden konnte nicht sagen dass großartig hinter seinem Rücken gesprochen wurde. Viele hatten Respekt vor ihm- und vorallen die, die wussten wozu er fähig war. Er war ein passabler Schütze- und zudem auch im Nahkampf erprobt. Das er zu diesem Mittel nicht sofort griff und lieber seine Feinde beobachetet um ein profil zu erstellen machte ihn auch nicht ungefährlicher. Manchmal wirkte sein starrer Blick nicht nur, als würde er in einen hineinschauen.. manchmal tat er es sogar. Der Abstand den andere deswegen von ihm hielten wurde von Raiden ebenso gehalten. Es schaffte ihm seinen eigenen Rückzugspunkt. Aber auf der anderen Seite machte ihn das auch sehr Einsam. Er fragte sich einfach- wie Clive mit solchen Gefühlen umging, wenn sie ihm etwas ausmachten. "Frieden.." wiederholte Raiden, als würde die Antwort von Clive selbst aus seinem Unterbewusstsein beschworen werden. Raidens eindringlicher Blick blieb weiter an Clive haften. Das Verlegenheitslächeln hatte sich dabei in seine Erinnerungen gebrannt- selbst wenn es auf dem Gesicht des vielseitigen Rebellen nicht lange scheinen sollte. "Wenn ich mit dir rede, ist es da etwas wie..Frieden." wurde er ein wenig deutliche, bevor er auf den eigentlichen Punkt kam. Denn Frieden mochte im ersten Moment nicht besonders schlüssig wirken, oder einen großartigen Hintergrund besitzen. "Dabei.. ist mir Frieden so nicht bekannt. Frieden konnte immer nur auf Gewalt und dem Sieg einer stärkeren Partei folgen. Hierfür..musste garnichts dergleichen passieren." schüttelte Raiden den Kopf. Der Blick der Stärke und Anmut wiederspiegelte, hatte doch durch den fragenden Ausdruck an Verletzlichkeit gewonnen. Selbst wenn sie nur ein Funke in den hellen Augen aufschien. " Es fühlt sich nur so friedlich an.." wurde Raiden sogar leiser, und sein Blick verschwamm wieder nachdenklich.
"Mir ist es schon aufgefallen, als ich dich einmal beobachten konnte. Es war fast so als hättest du die negativen Gefühle und die Demoralisierung von anderen einfach in dir aufgenommen. Und dabei ist keinem eingefallen darüber nachzudenken, was du mit diesen Gefühlen anfängst. Das habe ich damals gedacht..und zum ersten Mal Frieden gespürt. Ich dachte, dass ich vielleicht bald sterbe- wenn mich soetwas bannt..aber ich bin körperlich gesund." vertiefte Raiden seine Gedanken deutlicher. Es war nicht seine Art viel Blatt vor den Mund zu nehmen. Zeit war ihm dafür zu kostbar. Nie konnte man wissen, wann sie endet. Und unausgesprochene, wichtige Dinge würden unausgesprochen bleiben. Die Zungenspitze konnte durch den schmalen Spalt nach einem seufzen dringen,und über die ausgetrochnete Unterlippe gleiten- ehe sie wieder verschwand. " Ich komm nicht gut mit anderen in einem persönlichen Gspräch zurecht, aber dass liegt mehr auch daran dass ich glaube, sie würden mich für verrückt halten. Aber du.. ich denke nicht so von dir." Raiden suchte wieder den offenen Blick, den er gesenkt hatte und fasste Clive ins Auge. Jeder hielt ihn für cool- stark und tüchtig. Aber da war noch viel mehr-was Raiden in ihm sah- und das über die eigenwillige Erscheinung hinweg- die ihn aber auch faszinierte. Gebannt wurde sein Blick auch sogleich von dem durchscheinenden Silberohring an Clives Ohr- da er durch die schwarz-roten Strähnen hindurch blitzte. Fast im selben Moment, als hätte der Schmerz den Vergleich den Gedanken vernommen- schoss er wie ein Nadelstich durch den linken, auf dem Schoß ruhenden Arm- und verlangte nach der Hand des gesunden Armes, der zuvor noch auf der Lehne geruht hatte. Nun schmiegte sich die Handfläche in das Ellenbogengelenk.
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Clives Umgang mit seinen Gefühlen war wie viels an ihm.. düster. Würde ihn jemand fragen, so würde er vermutlich leugnen, dass ihn überhaupt etwas bedrückte. Auf der anderen Seite schob er die negativen Gefühle einfach von sich. Es war eine simple, aber ebenso klare Entscheidung für ihn, dass man für ein größeres Ziel manchmal eben Opfer bringen musste. Wann immer ihn das 'jetzt' zu erschlagen drohte, rief er sich eine bessere Zukunft ins Gedächtnis, selbst wenn diese vielleicht nie eintreffen würde. Es war sein Idealismus, der ihm über die schweren Stunden hinweg half. "Frieden?" wiederholte Clive unschlüssig. Für ihn war Frieden einer der höchsten Ziele, die es zu erreichen galt. Der Krieg fraß sie alle auf, Freund und Feind gleichermaßen. Gewinner gab es seiner Meinung nach keine. "Was?" musste er daher auch unterbrechen. "Genau deswegen ist es ja friedlich." setzte er an und zog unbewusst die Hände wieder aus den Taschen. "Das ist kein Frieden, wenn der eine vom anderen zerschlagen wird, das reine Gewalt!" machte er seinen Gedanken Luft. Die Stimme hatte er unbemerkt um eine Winzigkeit erhoben, was den Worten mehr Eindringlichkeit verlieh. "Es gewinnt nie die 'stärkere' Partei. Das, was die Leute als Stärke bezeichnen ist in Wahrheit Rohheit, Brutalität, Egoismus! Stärke bedeutet immer auch Güte, und wer gütig ist zerstört nicht." Während er gestikulierte und die Worte flammend aus seinem Herzen kamen, war sein Gesicht von einem eigentümlichen Leuchten erfüllt. Er sprach nie für sich selbst.. aber wenn er sprach, dann für die Gemeinschaft, für seine Ideale, vielleicht sogar für die gesamte Menschlichkeit. "Sie zwingen uns ihren Kampf auf.." sinnierte er, weil es viele Nächte gab, in denen er wach lag und sich fragte was ihn, oder sie alle, von denen unterschied gegen die sie kämpften. "Es ist deswegen wichtig, dass wir uns auf unsere Menschlichkeit besinnen. Es gibt nur eine ganz schmale Grenze die uns von den Bestien trennt, zu denen die Menschen geworden sind die sich über andere Stellen und um ihren eigenen Vorteil schwächere ausbeuten und töten. Ich versuche jeden Tag daran zu denken, wofür ich das mache, um nicht so zu werden." schloß er schließlich, wobei der zuvor gezeigte Eifer abgeflaut war und einer stillen Nachdenklichkeit platz gemacht hatte. Er hatte deswegen auch den Blick plötzlich wieder senken müssen, der noch zuvor so offen den Raidens gesucht hatte. Auf einmal war ihm sein Ausbruch etwas unangenehm.
"Ich.. hm... ich habe nie darüber nachgedacht." murmelte er, nun ernstlich verlegen. "Es überkommt mich einfach. Ich sehe, wenn unsere Kameraden den Mut verlieren, und die Worte kommen einfach. Vielleicht hab ich ja einfach nur Glück, die richtigen Worte zu finden." vermutete er und zeigte wieder sein verlegenes Lächeln. "Ich tu nicht wirklich was dafür." nickte er und zog wieder den Kopf ein. Nun saß er hier, und bekam mehr oder weniger Komplimente von einem viel älteren, sicher auch viel erfahreneren Rebellen. Sogar nachgedacht hatte er über ihn. Er konnte nicht leugnen, dass ihm diese Aufmerksamkeit gut tat, es war beinahe wie Balsam, aber er schob das Gefühl beiseite - wie so vieles - aus dem einfachen Grund weil er fürchtete, zu viel Lob und damit verbundener Hochmut könnte seinen Charakter verderben. Er war bescheiden und wollte es bleiben. Erst, als wieder ein wenig Ruhe eingekehrt war, konnte er schüchtern aufblinzeln und Raidens Blick begegnen. "Weißt du, was ich wirklich verrückt finde?" stellte er dann eine rhetorische Frage, da er nicht auf eine Antwort wartete, sondern direkt fort fuhr. "Diese ganzen Leute, die nach Geld und Macht streben ohne Rücksicht auf Verluste. Oder Menschen, die aus Lust andere quälen. Es gibt mehr als genug davon.. sie sind wahnsinnig, abartig, krank.." murmelte er. "Du bist.. nichts davon." schloß er nach einer kleinen Pause. Er war sicher nicht der beste Menschenkenner, und ganz bestimmt war er in vielen Fällen zu vertrauensseelig, aber durch die Distanz die er zu anderen immer wahrte, war er zumindest ein ganz guter Beobachter. Und von Raiden ging nichts Schlechtes aus, das er sogleich hätte wahrnehmen können. Durch die plötzliche Bewegung angezogen, senkte sich sein Blick auf die Hand, die so plötzlich nach dem Ellenbogengelenk gefasst hatte. "Was ist..? Hast du Schmerzen?" fragte er gleichermaßen betroffen und besorgt, wobei er den Blick wieder zu Raiden Gesicht hob.
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Raiden hatte stillschweigend immer darauf gewartet Clive hervorzulocken. Und genau das sollte eintreffen als er ihn auf den Frieden ansprach den er bei ihm empfand. Was dabei noch viel wichtiger war: er wurde dabei nicht enttäuscht. Raiden fühlte sich eigenartig geschockt. So viel idealismus, so viel Gerechtigkeitssinn vereinte sich in Clive nicht blind. Er musste viele Stunden darüber nachgedacht haben- und war auch zu mehr gekommen wie er- Raiden- selbst. Das musste er anerkennen, und im selben Moment traurig die Augen senken. Vielleicht mochte ein Fremder keine traurige Mimik in den harten Zügen ausmachen, doch die Augen hüllten sich demütig in dunkle Wimpern. " Dann war ihre Güte nur wahhlose Handlung.." murmelte er, an Clive wenige Zusammenhänge erkennend. Es gab noch viel für ihn zu lernen. " Das ganze Leben ist ein zwang. Man wird ohne wahl geboren, und man stirbt zumeist ohne die Wahl zu haben." schien Raiden missmutig, aber das rührte aus unterbewusster trauer, die er nicht zu deffinieren wusste. "Mich hat man Leben lassen, die anderen hatte man umgebracht. Es gab keinen Grund, mich leben zu lassen..." Raiden sprach immer mehr zu sich- wie Clive merken würde. Immerhin dürften ihm die Zusammenhänge fehlen. Raiden bemerkte es erst mit aufschauenden Blick. "Ich bin in einem Kriegsgebiet aufgewachsen. Ich musste als Kind töten. Und ich habe getötet." erklärte seine monotone Stimme- und verlieh seiner Erscheinung etwas tragisches. Es war so, als würde er von jemanden anderen sprechen- nur ohne jegliches Gefühl. "Dann sind sie gekommen.. eine Millitäreinheit der Regierung. Sie haben viele der anderen Jungen getötet, und auch die Anhänger des Dikators der mein Dorf damals übernommen hatte- mit Gewalt aus Kinderhand.." fuhr er fort,ohne einmal zu blinzeln. Seine blauen Augen bohrten regelrecht nach Clives Meinung.Dessen Urteil war das einzige, von dem er etwas hielt. " Man hat weiter über mein Leben entschieden, indem man viel Geld darin verwendete jemanden aus mir zu machen der noch mehr töten kann. Humaner töten kann." Erst dann neigte sich Raidens Kopf leicht in Richtung seiner Schulter. Dabei senkte er erst seinen Blick auf den tauben Arm, dem der Schmerz verloren gegangen war. " Bin ich wirklich etwas besseres? Man kann doch seinem eigenen Schatten nicht entkommen." seufzte er frustiert- die kräftigen Schultern sanken etwas herab. " Sieht man den Frieden als Licht, wird mein Schatten immer größer und länger, je näher ich ihm komme."
Für Raiden waren seine Worte sehr bedeutend. Denn jetzt, wo er Clive näher kam und mit ihm reden konnte- fühlte er wirklich die Schönheit von Ruhe und Frieden die er sich vorgestellt hatte. Sie zeigte im nur seine eigene, hässliche Seite auf. Und selbst wenn sein Schicksal nicht selbst gewählt war - hatte er sich dem doch gefügt. Er fühlte sich schwach.. "Ich töte nicht, wenn es nicht sein muss. Ich bin zufrieden wenn meine Aufträge sich darauf beschränken Gebiete zu erforschen oder Profile von Personen zu erstellen um ein Bewegungsmuster zu erkennen. Das erspart und meistens den Kampf, Schwächen können ausgenutzt werden. Und trotzdem.. ich bin nicht frei. Ich werde es nicht los." Raiden teilte ungewohnt viele Gedanken. Nie war er zuvor bereit gewesen, so viel von sich preis zu geben..und auch bei dem Aufnahmegespräch war er verhalten ruhig geblieben.. hatte nur das nötigste erwähnt- und jegliche Nachwirkungen untergraben. Selbst wenn sie seine Seele noch schwer belasteten... "Es tut mir leid.." war es nun an dem stilllgewordenen Raiden, sich für seinen Ausbruch zu entschuldigen.. er hatte auch nicht vor gehabt Clive zu überfahren. Vielleicht hatte er auch blos angst dass der junge Rebell nun anders von ihm denken würde.
"Ich fühle nichts.." Raidens Stimme war noch immer leiser, gedämpft. Man konnte sich kaum vorstellen was sich hinter dieser Stimme noch alles verbarg. Es waren reichhaltige Gedanken, die jedoch immer vereebten- da es ihm an einer Reflektionsmöglichkeit fehlte..und auch Vergleichsmöglichkeiten. Sein Arm streckte er vor sich aus, ohne in den Fingern zu spüren dass sie sich streckten.. und das auch nur langsam. " Die Schwester vom Arzt meinte, es sei eine Senenentzündung..ich bekomme Tabletten. Aber es wird nicht besser. Der Arm wird immer öfter taub." gab Raiden seinem 'nichts fühlen' mehr Sinn. Die Doppeldeutigkeit brauchte keinen genaueren Ausdruck- um auf ihn zu wirken.."Da .. jetzt tut es wieder weh."
Schweigen, das mir Fragen stellt, und keine Antwort gibt auf mein Warum. Unsichtbare Blicke, an denen ich ersticke. Der Schatten der mir folgt- ich glaube, eines Tages bringt er mich noch um.
Clive war geschockt. Er hatte sich immer für souverän gehalten, er kannte alle Antworten. Zumindest war es das, was er immer geglaubt hatte, wie er sich selber sah. Es war nötig, um die vielen Lücken auszufüllen, die zwangsläufig immer irgendwo entstanden. Dass es Situationen gab, in denen man um Worte ringen musste, war neu für ihn. Das meiste von dem, was Raiden sagte, hatte kaum oder nur wenig Sinn ergeben, da ihm die Zusammenhänge fehlten, das Hintergrundwissen. Dennoch reichten die Erklärungen aus, um Clive ein Bild zu zeichnen. Eins, das vielleicht nicht der Realität entsprach, aber zumindest vor seinem Auge sehr genaue Züge annahm. Von Kindersoldaten hatte er gehört, Reportagen gesehen. Vor allem in Afrika gab es das, aber auch in vielen anderen Regionen der Welt. Es war ein Problem gewesen, aber eins das weit weg war, zumindest für ihn, wo die Probleme unter seinen Füßen, als er noch im Komplex gewohnt hatte, groß gewesen waren. Jetzt sah er sich damit konfrontiert, trotz all seines 'Wissens' genauso dumm wie jeder andere Mensch; da es manchmal eben nichts sinnvolles zu sagen gab. Dann straffte er sich. Die Lähmung fiel langsam von ihm ab, während sein Blut wieder hitzig durch seinen Körper pumpte. "Das ist nicht wahr." machte er sich dann Luft. Die Hände wieder zu festen Fäusten geballt, focht er einen weiteren Kampf aus. "Wir haben keinen Einfluss auf das, was uns als Kinder passiert. Die einzige Wahl die du hattest, war töten oder getötet werden. Ist das Messer schuld daran, dass es jemandem ins Herz gestoßen wird? Oder ist die Hand schuld, die es führt?" fand er ein Gleichnis, nach welchem er eine kurze Pause einlegte, um Raiden überlegen zu lassen. "Ein Werkzeug ist weder gut noch böse, nur der, der es gebraucht entscheidet. Und nichts anderes als ein Mordwerkzeug haben sie aus dir gemacht. Das kannst du nicht ändern, aber du entscheidest, was du bist. Und jetzt bist du hier.." wurde seine Stimme leiser, ohne dabei undeutlicher zu werden. Seine Augen fanden ebenso offen die Raidens, wie dieser ihn zuvor fixiert hatte. "Du hast dich entschieden, etwas gegen die Mißstände zu unternehmen, um anderen vielleicht ein solches Schicksal zu ersparen. Das unterschiedet dich von anderen. Es macht dich besser.. besser als alle die zuschauen, oder wegschauen und denken das Schlechte betrifft sie nicht. Nur weil jemand nichts Böses tut heißt das noch lange nicht, dass es einen guten Menschen ausmacht. Wer nie mit dem Bösen konfrontiert wird, hat keinen Grund zu wählen.." redete er weiter. Clive war immer bereit, um jede einzelne Seele zu ringen, und in Raiden spürte er den Kampf, der in ihm tobte. Und gleichzeitig den stummen, wenn auch lauten Hilferuf der daraus sprach.
Clive war immer bereit, jeden Strohhalm zu reichen, besser noch die ganze Hand. Er wollte Hoffnung spenden, Mut und Zuversicht. Idealismus und Glaube war oft das einzige, was ihnen blieb.. er glaubte, wenn er das verlor, würde ihn das gesichtslos machen. Dann hatte er auch keinen Grund mehr zu leben und auf ein Morgen zu hoffen. Ohne Hoffnung und Glauben würde sich nichts ändern.. und ebenso wenig wenn man nicht auch die Kraft besaß, gegen all die Zweifel weiter zu machen. Jemandes Hände würden immer schmutzig werden.. und Clive war bereit dazu, die Ärmel hochzukrempeln und zu tun was nötig war.. "Es braucht dir doch nicht leid zu tun." entgegnete er daher und zeigte wieder sein verlegenes Lächlen. Vielleicht war es auch das einzige, was er der Welt entgegenzusetzen hatte: im Angesicht von Kummer, Verzweiflung und Unglück das Lächeln nicht zu verlieren, so traurig es auch sein mochte. "Ich bin froh, wenn du kommst und mit mir sprichst.." wagte er schüchtern hervorzubringen. Er kam sich etwas albern vor, mit seinen knapp über 20 Jahren einem Mann Ratschläge geben zu wollen, der ihm so viel an Erfahrung und Leben voraus hatte.. selbst wenn das meiste davon schlecht gewesen sein musste. Helfen wollte er dennoch, wenn er irgendwie konnte. Im Augenblick jedoch konnte er nur die kräftig wirkende Gestalt vor sich besorgt betrachten, während er seinen Arm streckte. Ihm entging die Doppeldeutigkeit der Worte zwar nicht, aber er fühlte sich dabei gleichermaßen hilflos. Und er war scheu, so scheu.. er wagte nicht, die eigene Hand auszustrecken obwohl er sich danach fühlte. Er hätte sie gern berührt, diese Hand, an der das unsichtbare Blut anderer Menschen befand, deren Besitzer jedoch in Clives Augen unschuldig war. Er biss sich in die Unterlippe, als Raiden sagte, dass es jetzt wieder weh tun würde. Ganz langsam, ganz vorsichtig... so als müsste er selbst um jeden Zentimeter ringen, streckte er die eigene Hand aus. Langsam genug, dass Raiden genug Zeit bliebe, die eigene Hand wegzuziehen, wenn er es nur wollte. Clive selbst hatte seinen Blick starr auf die größere Hand gerichtet während er ihr immer näher kam. Er wollte die Haut berühren.. darüber streichen, als ob er damit den Schmerz betäuben könnte - oder die Taubheit durchdringen. Ganz langsam berührten sie sich dann doch, die beiden Hände, und Clive spürte es beinahe wie einen elektrischen Schlag durch seinen Arm ziehen.. dann war der Moment vorbei, alles was er spürte war Haut, über die er mit den Fingerspitzen zärtlich glitt...
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Raiden hatte sich selbst auch als Werkzeug verstanden. Der Unterschied war nur, dass er sich trotz allem als menschliches Wesen sah. Das Messer konnte nicht wählen ob es töten wollte...und er hätte sich immer dagegen stellen können. Natürlich hätte das im Tod geendet; doch aus angst vor diesem hatte Raiden es nie fertig gebracht. Er war noch so jung gewesen..und später wuchs er in den vorgeschriebenen Weg so hinein, dass er überhaupt keine Perspektive mehr besaß. Keine Hoffnung auf etwas anderes, was sein Leben ausmachen könnte- wo es so vorgeschrieben war.
Nun fand sich Raiden wieder in unterschwelliger Angst wieder. Äußerlich wirkte er gefasst- bodenständig. Doch innerlich war sein Herz am kämpfen mit Clives Worten. Er wollte sie so gern glauben.. und andererseits stellte er viel zu große Anforderungen an sich selbst- fast so als wolle er sich selbst für das bestraften, was er getan hatte..Schuld hin oder her. " Es wird niemanden geben, der noch nicht mit Bößartigkeit konfrontiert wurde." glaubte Raiden, der im ersten Moment noch an den kleinen Matt gedacht hatte- den Seth immer beschützte. Dieser wirkte auch so zufrieden, dass es Raiden erst im zweiten Moment des betrachtens auffiel- dass die beiden ja auch vor was schlimmen geflohen sein mussten. Er konnte nur aufatmen, weil der Junge es gut zu überstanden haben schien. "Ich habe mir immer gedacht ich müsste quasi..aus meiner Haut schlüpfen, etwas vollkommen neues machen, um mich als der fühlen zu dürfen, der ich sein möchte. Aber egal was ich mache, die Bilder verschwinden nicht..und es gab auch nie jemanden mit dem ich reden wollte. Wie sollte mich jemand verstehen wenn ich mich doch nichteinmal selbst verstehe.." schnaubte der blonde abfällig, was eine Strähne vor seiner Stirn dazu brachte, aufzuflackern. " Aber du bist anders.. ich kann dir glauben dass du von deiner eigenen Meinung ausgehst..und sie nicht von etwas anderem als deinen Gerechtigkeitssinn beeinflussen lässt." Raiden, der immer leiser wurde, schloss seine Augen für einen Augenblick in dem er seine innere Kraft zur Ausgewogenheit sammelte. Er wollte etwas spüren, und wenn es nur die Fingerspitze seines Zeigefingers gewesen war. Aber stattdessen, sollte sich ihm nur gedämpft ein gegendruck in den Weg stellen. Fast so- als würde seine Hand in Watte eintauchen, ohne an einem gewissen Punkt weiter versinken zu können. Das war der Augenblick an dem Raiden seine Augen wieder öffnete und besser sehen, als fühlen konnte das Clive ihn berührte.
Zunächst erschreckte er sich davor- gewillt die Hand zurückzuziehen.. doch da Clive dies auch nicht tat, verblieb Raidens Reaktion bei einem zucken- fast so als hätte er angst etwas von seiner eigenen Schande könnte auf Clive abfärben. "Ich wollte dich nicht belasten." sprach er bedächtig, und ließ seine Augen für einen weiteren, kurzen Moment ruhend zusammen sinken. Er versuchte die Hand anschließend etwas zu fächern, wobei stärkere Venen hervortraten und unter der Haut spannten. Aber auch das gelang nur langsam- als wären seine motorischen Fähigkeiten genauso verschwunden wie die Angst. "Ich habe lange..lange Zeit gedacht die Menschen sind dafür da, sich gegenseitig zu töten.. das wir in keiner Demokratie leben, oder auch unter einer Monopolherrschaft..in Wahrheit waren wir für mich nichts mehr als eine Selbstmordgesellschaft." sprach Raiden seine Gedanken aus, bevor seine geöffneten Augen von den gesunkenen Augenbrauen wieder leicht zum schließen verleitet wurden. "Deine Hand ist warm.." war Raiden dabei, völlig aus dem Zusammenhang gerissen zu werden. "Warum ist sie so warm.." murmelte er weiterhin, zumindest hatte er einen Finger leicht heben können- wenn auch in Begleitung von schmerzen. Zumindest aber hatte er Clives kleinen Finger berühren können- egal wie viel Anstregung es kostete. Clives Aufregung und Scheu war Raiden dabei angenehm gewesen- da so auf keinen Fall Bedrohung von ihm ausgehen konnte. Clive war vielleicht dass, was sich Raiden immer von Menschen gewünscht hatte. Er hatte es aus dieser Hoffnung heraus, nie geschafft sein Leben einfach so zu beenden.. die Schmerzen die er fühlte waren dahingegen ein geringer Preis für ein Blick in die schüchternen Augen, und den Berührungen denen sie folgten.
Schweigen, das mir Fragen stellt, und keine Antwort gibt auf mein Warum. Unsichtbare Blicke, an denen ich ersticke. Der Schatten der mir folgt- ich glaube, eines Tages bringt er mich noch um.
Clive war beinahe versucht gewesen, die Hand rasch zurückzuziehen, als Raiden zusammen zuckte. Er wusste nicht einmal, was in ihn gefahren war, woher er den Mut genommen hatte, ihn einfach so zu berühren. Er mied Nähe, und er vermied es auch tunlichst, anderen zu nahe zu treten; körperlich wie emotional. Es war seine Art, Respekt zu zeigen, indem er Privatsphäre achtete. Einzig verlangte er im Gegenzug, das man auch die seine achtete. Aber jetzt hatte er etwas getan, was untypisch war.. vielleicht wäre es ihm leichter gefallen, wenn jemand wie der kleine Matt vor ihm gesessen hätte. Aber ein erwachsener, fest im Leben stehender Mann.. was sollte er ihm geben können? "Nicht.." murmelte er daher. "Du musst den Arm schonen. Es wird bestimmt schlimmer, wenn du dich so anstrengst." versuchte er seine Sorgen in Worte zu fassen. Leichte Röte stieg in seine Wangen, es war ein sonderbares Gefühl, die Hand eines Mannes so zu berühren. Denn noch immer hatte er das Gefühl, das es nichts rechtes gab, was er Raiden bieten konnte. "Bitte..." wiederholte er deswegen nur. "Schone deine Hand. Ich will nicht, dass du Schmerzen hast." Diesmal war er es, der die Augen hinter den dunklen Wimpern verstecken musste. Einen Moment länger glitten seine Finger streichelnd über Raidens, liebkosten die Fingerknöchel.. und verabschiedeten sich dann, indem seine eigene Hand herabsank.
"Warum glaubst du, dass du mich belastest?" fragte er dann, und wagte es erst dann wieder, zu ihm aufzuschauen. "Ich habe das nicht gesagt, und du solltest es nicht denken. Du bist aus einem Grund zu mir gekommen.. und ich werde mich nicht abwenden." sagte er ernst und ließ den Blick dann wieder auf Raidens Hand sinken, in deren Betrachtung er sich verlor. "Was du erlebt hast, ist schrecklich." suchte er einen Ansatzpunkt, und fand ihn so schließlich. "Aber es ist nicht 'normal'. Glücklicherweise bleiben solche Dinge dem Großteil der Menschheit erspart. Du hast nicht die Möglichkeit gehabt, normale Erfahrungen zu sammeln und deswegen keinen Vergleichswert. Aber ich habe fast 18 Jahre lang ganz normal gelebt, mit allen Vergünstigungen und Möglichkeiten. Mein Leben war gut und sicher.. deswegen weiß ich, dass die meisten nicht mit dem Bösen konfrontiert werden. Sie leben in einer Scheinwelt mit dem Wissen, dass es das Böse gibt. Aber sie wenden den Blick ab, sie tun so als wäre es nicht da, weil es sie nicht betrifft. Ich könnte dir tausend Beispiele nennen.." seufzte Clive, der das Gefühl hatte, Raiden nicht zu erreichen. Wie sollte er seine Erkenntnisse teilen, die er mühsam gesammelt hatte? "Du bist nicht so." versuchte er es dennoch. "Du hast getötet, ja.. Aber was blieb dir für eine Wahl? Es ging um dein eigenes Leben. Du hast es getan um zu überleben.. Dein Tod hätte keinem etwas genutzt, aber dein Leben nutzt vielen. Du riskierst es Tag für Tag, für andere. Aufgeben ist immer leichter, als für eine Sache zu kämpfen von der man nicht weiß ob sie jemals Erfolg hat. Und du solltest auch nicht vergessen, dass keiner von uns eine weiße Weste hat. An den Händen von uns allen klebt Blut. Wir verstoßen Tag für Tag gegen das Gesetz. Wir kämpfen mit Waffen die wir nicht gewählt haben, weil es die einzige Möglichkeit ist wie wir uns und diejenigen schützen können, die sich nicht selbst schützen können. Was immer du getan hast, spielt keine Rolle mehr, weil du jetzt das Richtige tust. Daran kann sich kein Mensch messen, der nie dem Tod ins Auge geblickt hat, der nie Zeuge von Verbrechen geworden ist, und weggesehen hat anstatt zu helfen. Für mich bist du so unschuldig wie Schnee.." fand er ein Ende, unglücklich darüber, dass seine rhetorischen Fähigkeiten Grenzen besaßen, das er seine Gefühle und Gedanken nicht direkt in Raidens Herz - und sein Gehirn - übermitteln konnte. Er wünschte sich, dass Raiden sich nur für einen Moment durch seine - Clives - Augen sehen könnte. Dann würde er begreifen, wie stark sich die beiden Bilder voneinander unterschieden. "Du bist doch kein Werkzeug mehr.. du bist jetzt ein Mensch, der richtig von falsch zu unterscheiden weiß. Und niemand wird dich jemals mehr instrumentalisieren. Du musst dir selbst verzeihen, dann wirst du die Kraft finden, weiterzumachen. Die Kraft in dir selbst..." sagte er und schloß die Augen. "Ich helfe dir, du musst mich nur lassen."
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Raidens Herz sah sich besänftigt. Es war kein Selbstmitleid in dem er badete- Raiden ertrank nur in seinen eigenen hohen Maßstäben die er an sich setzte- und nie hatte erfüllen können. Aber wer in seiner Lage hätte sie erfüllen können? Wie Clive schon sagte würde sein Tod niemanden etwas nützen..und man konnte auch nicht davon ausgehen dass dadurch weniger Menschen umgekommen wären. Es hätte vielleicht nur ein anderer seinen Platz eingenommen. " Wenn ich gestorben wäre, wäre nur ein anderer an meine Stelle getreten..und hätte weiter gemordet. Und vielleicht..hätte derjenige nie den Weg in eine Gruppe wie diese gefunden.." konnte Raiden sich daher auch eingehen lassen. Seine verwundete Seele die sich aufgerieben fühlte verspürte Linderung. Die gefühlten Blutungen stoppten immer mehr und ließen den Hünen aufatmen. Leise..aber doch war ihm anzumerken, dass ihm ein wenig leichter um seine Blei-schweren Schultern geworden war. "Clive.." murmelte der Blonde daher, da er die leere wieder spüren konnte, die Clives Hand abgelöst hatte. Er hatte ihre Berührung nur dumpf wahrgenommen..aber er hatte etwas gespürt. Und das Gefühl eines Gegenstückes an seiner Haut, hatte ihm gut getan.
Niemand war ihm zuvor so nah gekommen- sah man von ärztlichen Behandlungen ab. Vielleicht hatte er auch einmal jemanden gepackt, oder zu Boden geworfen um vor feindlichen Angriffen zu schützen. Aber das hier..war viel zärtlicher, sanfter. Raiden musste seine andere Hand heben und schloss die erwärmte Fläche über das innere Ellenbogengelenk, um sich darin zu vergreifen. Ein wenig hoffte er den Verlust damit ausgleichen zu können, den er noch nicht deuten konnte. "Du weist sehr viel.." machte er dabei ein kleines Kompliment, dass ehrlich seine Lippen verließ. " Ich sehe auf dem Schnee, noch immer Schatten.. aber mit dir, könnte es besser werden.." nahm er das Angebot wahr, mit Clive zu reden, wenn er es wollte. "Ich hatte gehofft das du soetwas sagen würdest.." konnte nun, nachdem der Verlust etwas besser verkraftet war, auf Raidens Gesicht ein schwaches Lächeln ausgemacht werden. " Du bist vielleicht jünger, als die meisten Freidenker hier.. aber deine Art ist mir so angenehm. Das tut mir gut.." formten die Lippen weniger verdrossen über den menschlichen Lebenswandel- da Clive dieses Bild nicht bestätigte. Raiden spürte dass der junge Rebell unsicher war- aber das hielt ihn nicht davon ab das richtige zutun. Sein Blick ruhte daher bewundernd auf den Schultern des Schwarzhaarigen. "Du siehst nicht weg, selbst wenn du angst hast.." waren die Worte die mit seinen versunkenen Blicken verbunden waren. "Du hast sicherlich auch eine Quelle für diese Kraft?" konnte Raiden sich vorstellen, dass Clive diese Stärke von einer Quelle bezog.. doch es gab noch so vieles, was es über den jungen Rebellen zu lernen gab- und was ihnn diesem näher brachte. Das war es, was er sich im Grunde seines Herzens wirklich wünschte- wo sein Bein schon gewillt war den Stuhl näher an Clive heranzuziehen, damit er ihn noch besser betrachten konnte..und ihm auch näher sein konnte.
Schweigen, das mir Fragen stellt, und keine Antwort gibt auf mein Warum. Unsichtbare Blicke, an denen ich ersticke. Der Schatten der mir folgt- ich glaube, eines Tages bringt er mich noch um.
Clive wäre niemals auf die Idee gekommen, dass Raiden in selbstmitleid versinken könnte. Alles was er fühlte war dessen Schmerz, der beinahe greifbar war in seiner Intensität. "Ja, genau das meine ich.." musste er daher ruhig seinen Worten hinzufügen. "Vielleicht hast du sogar jemandem dieses Schicksal damit erspart, dass du lebst. Ich muss einfach glauben, dass alles einen Sinn hat, auch wenn ich ihn nicht begreife. Du bist jetzt jedenfalls hier.. unter anderen Umständen hätten wir uns wohl nie kennengelernt." schloß er. Erst, als er vernahm wie Raiden seinen Namen aussprach, hob er fragend wieder den Kopf "Hmm?" machte er, und suchte in seinem Blick. Er bemerkte, dass Raiden scheinbar ein wenig leichter geworden war. Es waren nicht unbedingt die sichtbaren Eindrücke, sein Gesicht schien entgegen der Augen über wenig Mimik zu verfügen.. aber er spürte es einfach, schon an der Atmosphäre im Raum.
Als er dann aber vernahm, was Raiden zu sagen hatte, musste er nur wieder mit seinem verlegenen Lächeln den Blick senken. Er sagte nichts dazu, dass Raiden glaubte, er wisse viel. Er glaubte, wenn er es abstritt - oder bestätigte - würde das die Sache größer machen, als er wollte. Deswegen sagte er lieber etwas zu den nachfolgenden Worten des Mannes. "Der Schatten wird immer da sein. Es kann keinen Schatten geben ohne das Licht.. aber der Schatten ist nicht dein Feind. Er ist nur ein Mahnmal, das dich daran erinnern soll nicht vom richtigen Weg abzukommen. Wenn du dir erst einmal selbst verziehen hast, wirst du auch nicht mehr im Schatten deiner Vergangenheit stehen. Es kann immer noch alles gut werden." wollte er ihm versichern. Clive musste daran glauben, und wollte dass auch Raiden daran glaubte. Selbst wenn er wirklich falsch liegen sollte, wovon er nicht ausging, lebte es sich mit der Hoffnung im Herzen allemal leichter, als ohne. Als er aber Raidens Worte vernahm, musste er ein wenig lachen, auch wenn es kein vergnügtes war. "Das stimmt, du hast recht.. ich habe Angst. Schrecklich große Angst." räumte er sogar ein. Die Angst war so groß, dass sie ihn hätte lähmen können, wenn er es zugelassen hätte. Aber in Gedanken war er jedes nur mögliche Szenario so oft durchgegangen.. dass es irgendwann in schicksalsergebenheit umgeschlagen war. Er würde, wenn es so weit war, tun was getan werden musste. "Ich kann einfach nicht weg schauen, es geht nicht." setzte er zögerlich an und nickte nur, als Raiden ihn danach fragte, woher er diese Kraft bezog. "Ich habe einen jüngeren Bruder." setzte er dann nach einigem ringen mit sich selber an. "Er ist jetzt 16 Jahre alt. Als ich von zu Hause weg bin, war er gerade 12. Wir standen uns sehr nah." erklärte er und seufzte, wobei sein Blick an Raiden vorbei aus dem Fenster ging. "Ich hoffe sehr, dass es ihm gut geht. Aber er war immer stark, deswegen glaube ich, dass er zurecht kommt. Irgendwann, wenn das alles vorbei ist, will ich zurück und es ihm erklären. Ich hoffe sehr, dass er mir dann verzeiht." meinte er mit einem fast verträumten Lächeln und blickte dabei wieder in Raidens Gesicht. "Ich musste von zu Hause weg." erklärte er sich dann weiter. "Ich hätte es dort keinen Tag länger ausgehalten. Meine Eltern sind Wissenschaftler an einem Forschungskomplex. Jordan - mein Bruder - und ich wussten nicht so genau, an was sie arbeiteten. Ich fand es eines Tages durch einen dummen Zufall heraus. Meine Pc-Konsole war defekt und ich musste dringend etwas nachsehen.. ich benutzte deswegen den Laptop meines Vaters. Eigentlich darf ich das nicht, weil es ein Arbeitsgerät ist, aber er war wegen irgend einem Notfall zur Arbeit gerufen worden und hat ihn nicht abgestellt." er seufzte schwer bei den Erinnerungen. "Lange Rede, kurzer Sinn.. ich fand heraus woran er arbeitete, ein geheimes Projekt unter dem Komplex, an welchem an Menschen geforscht wird.. grausam." sagte er und erschauderte. "Danach konnte ich nur noch daran denken, wie ich dafür sorgen kann, dass das aufhört. Ich wusste, dass ich es niemandem sagen kann, keiner Polizei oder Regierung.. deswegen lief ich kurz nach meinem 18. Geburtstag von zu Hause weg. Ich irrte herum, ohne festes Ziel oder auch nur einen Plan.. und dann wurde ich von den Rebellen aufgelesen. Das war meine Chance, endlich eine Chance..." seine Augen schlossen sich. "Wir arbeiten daran, alles zu tun um diese Anlage zu schließen und die Forschungsprojekte zu befreien. Ich weiß, dass sie während der ganzen Zeit weiter leiden und sterben.. aber wir haben keine schnellere Lösung, wir können nur an die Zukunft denken und dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert. Es ist meine Pflicht.. meine Verantwortung." endete er schließlich. Er zog auch aus der Tatsache Kraft, dass er die Sünden seiner Eltern tilgen wollte. Wer, wenn nicht er sollte sie aufhalten? Clive wollte um jeden Preis das richtige tun; für sich, und für seinen Bruder, denn auch er fühlte die Schatten beider Elternteile über sich und ihm. Er war auch nicht frei davon, würde es erst werden, wenn er alles in seiner Macht stehende getan hatte.. Über all die Gedanken und Erinnerungen hatte er gar nicht bemerkt, dass Raiden näher gekommen war. So nahe, dass sie einander fast schon berührten. Er war nur im ersten Moment erschrocken, versuchte zu Lächeln, aber es wollte ihm dieses eine Mal nicht recht gelingen. Dieses Mal war es Schmerz, der aus seinen Augen sprach. Doch der Moment verging, und das Gefühl verschwand wieder unter der Oberfläche der blaugrauen Augen. Vielleicht hatte er es bewusst zurückgedrängt, vielleicht nicht. "Jetzt weißt du auch etwas über mich.." sagte er dann, um die Leere zu füllen, die sonst vielleicht entstanden wäre. Aber eigentlich fühlte er sich gar nicht leer. Er fühlte die Nähe, nahm ein wenig von Raidens eigenem Geruch wahr, da sie sich so nahe waren und empfand das als angenehm. Es war friedlich, so zusammenzusitzen. "Deine Hand.." setzte er dann an. "Darf ich sie mir mal ansehen? Es wird wahrscheinlich nichts bringen.. aber mein Bruder hat immer gesagt seine Schmerzen lassen nach wenn ich meine Hände auflege." erklärte er sich selbst, wobei seine Wangen verdächtig brannten. Er schämte sich, einem erwachsenen Mann gegenüber solche Vorschläge zu machen. Jordan war immerhin ein Kind gewesen, bei dem solche Kleinigkeiten noch wirken konnten.. aber man wusste ja nie. Er hoffte nur, sich nicht zu blamieren. Er war entgegen der empfunden Scham noch etwas näher gerutscht, so dass Raiden den Arm über seine Oberschenkel hätte legen können, wenn er wollte. Clive wartete ab, sichtlich nervös.
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Raiden hätte Clive auch nicht glauben können, wenn dieser behauptet hätte keine Angst zu haben. Jeder hatte angst im gesünderen oder auch ungesünderem Maß und schützte sich damit vor unachtsamen Handlungen. Diese hatte Raiden früher immer an Rebellengruppen so kritisiert- da seiner Meinung nach nie gewinnen konnte wenn man glaubte seine vor Gefühl überschäumenden Ideale blindlinks durchzubringen. Hier war es nicht so.. und Clive wurde seinem Bild, dass Raiden von ihm gewonnen hatte immer gerechter. "Ein Mahnmal.." überlegte er und schlug die Augen müde nieder. Ein Mahnmal war für ihn etwas gutes, denn das bedeutete dass auch das schlechte nicht vergessen wurde. Er konnte damit auch zulassen, sich selbst zu verzeihen..Schritt für Schritt auf dem Weg seinen Beitrag dazu zuleisten die Welt zu einem besseren Ort zumachen. Erleichtert sanken die Schultern herab, weil es nichts mehr zu verteidigen gab. Clive hielt sich daran ihm nicht zu nah zutreten indem er ihm eine Art zu denken vorschrieb.. er machte den gemeinsamen Umgang so leicht dass Raiden sich nur fragen konnte warum er nicht schon viel eher mit ihm gesprochen hatte. "Du hast einen Bruder?"
Raiden wurde hellhörig als er vernahm dass Clive einen jüngeren Bruder besaß- und sah dabei auf. Er konnte nicht anders als sich vorstellen, dass der kleine Bruder nur wie ein kleiner Clive aussehen konnte. Und wenn seine Lippen nicht so starr gewesen wären, weil er schwieg- hätte ihn der warme Gedanke sicherlich zum lächeln gereizt. So blieb es bei einem milden Blick, der jedoch mit jedem Wort über Clives Geschichte schmäler wurde. "Ich habe davon gehört..man hatte eine Art Angriff auf das Unterirdische Zentrum des Komplexes geplant gehabt- es jedoch für zu unsicher befunden um zu gelingen.." fasste er knapp zusammen und tippte immer wieder kräftig gegen sein Ellenbogengelenk, dass er nicht bereit war freizugeben. Zumindest nicht in diesem Moment. "Ich kann mir nicht vorstellen wie schwer das gewesen sein muss deinen Bruder zurückzulassen, wenn ihr euch doch so nahe steht.." kam Raiden auch wieder auf das Thema zurück, um Clive nicht in seinen traurigen Gedanken zu bekräftigen. Denn genau wie dem jungen Rebell war Raiden bewusst dass man genau planen musste- bevor man gegen so ein mächtiges Netzwerk vorging. Menschenhandel war immer heikel..aber noch viel schlimmer unter dem Aspekt der Wissenschaft, die dem Menschen doch das Leben erleichtern sollte anstatt es ihm zu nehmen. Raiden sah seine Selbstmord-Theorie bezüglich des menschlichen Geistes immer mehr bestätigt..verschwieg diese groben Gedanken jedoch für ein weiteres Mal und sah Clive direkt an. "Du hast alles richtig gemacht, aus meiner Sicht..." gab er nur zu verstehen und senkte den Blick auf die Knie des jungen Rebellen. "Dein Bruder wird älter, und es sicher mit der Zeit verstehen was für ein gutes Vorbild du bist..dass ihn zudem nie vergessen hat." war Raidens Meinung ebenso gewesen, wobei er diesmal wirklich lächeln musste. "Erzähl mir mehr von deinem Bruder, ist er so wie du gewesen, nur kleiner..?" fragte er interessiert- aber auch nicht ohne eine Erklärung folgen zu lassen. "Ich habe keine Geschwister, und meine Eltern sind lange tod. Es muss sich gut anfühlen, jemandem so nah zustehen..oder?" wollte Raiden auch wissen- weil er familiäre Zusammenhalte nicht nachvollziehen konnte. Er stellte sich soetwas sehr intim vor- im Bezug darauf- dass niemand verstehen konnte wie tief die Verbindung zu einem eigenen Geschwisterkind sein konnte. Er wollte einfach glauben, dass der Mensch die Anlagen die er mitbekommen hatte nutzen konnte- wenn er sich so entwickelte wie Clive, und damit auch sein Bruder.
Raiden musste daher auch seinen Dank aussprechen als Clive zu ihm meinte ihm nun mehr über sich erzählt zuhaben. "ich danke dir.." formten seine Lippen mild, wobei sein Blick nicht von dem rot werdenen Clive gefangen genommen wurde- sondern von seinem eigenen Arm, auf den er anspielte. Im Gegensatz zu dem jungen Rebellen dachte er sich nicht so viel- weil er sich auch nicht auskannte und seine Worte nicht als kindlichen Aberglaube abtat. "Wirklich?" fragte er nur nach- war jedoch schon dabei die überschlagenen Beine zu lösen, und noch ein wenig vor zu rutschen. Sein Knie verschwand dabei schon zwischen denen Clives- und sein Oberkörper beugte sich nur soweit vor- dass er bequem den Arm ausstrecken konnte und ihn auf Clives Oberschenkel legen konnte. Dabei zog er den Pullover knapp bis über das Ellenbogengelenk und spürte erneutes splittern in den Nerven. Als wären sie dünn wie Fäden- durch die Glassplitter flossen und immer wieder unangenehm einschnitten. Zurück blieb nach den Schmerzwellen immer nur Taubheit- und das war weitaus schlimmer wie der Schmerz gewesen der ihm Clives Schüchternheit angenehm machte..."Hatte er..oft verletzungen?" Fragte Raiden dabei nur- den Kopf schräg legend- wobei ihm langsam bewusst wurde, wie wohl er sich wieder in Clives Gegenwart fühlte. Anfängliches zögern hatte damit keine Chance, sich lang zu halten und zu wiederstehen..
Schweigen, das mir Fragen stellt, und keine Antwort gibt auf mein Warum. Unsichtbare Blicke, an denen ich ersticke. Der Schatten der mir folgt- ich glaube, eines Tages bringt er mich noch um.