.Die Nachmittagssonne schien warm auf den Innengarten herab. Es war windstill und deswegen so warm, das man keine Jacke benötigte. Die Grünflächen waren gepflegt und in einigen der sorgfältig angelegten Beete blühten schon Blumen. Gut besucht war der Garten trotzdem nicht. Es handelte sich schließlich um einen Krankenhausgarten, und an einem Freitagnachmittag hatten die Leute offensichtlich besseres zu tun, als sich hier herumzutreiben. Viele der Patienten waren aber vielleicht einfach auch nur zu krank, um hier mit ihren Angehörigen Zeit zu verbringen. Bis vor einer Weile hatte auch Jonah noch nicht allein in den Garten gehen können. Jetzt jedenfalls konnte er es, und obwohl er ein leises Unwohlsein empfand, mochte er den friedlichen Innengarten mit freiem Blick auf den Himmel mehr, als die tristen weißen Wände in seinem Zimmer. Er hatte zwar einen Fernseher, aber der war schon etwas älter, und man konnte nur ungefähr 50% des Bildes erkennen. Und die anderen 50% bestanden aus Programmen, die Jonah nicht mochte. Deswegen war er ganz froh, dass er beim guten Wetter inzwischen hierher in den Garten flüchten konnte. Das war zwar langweilig, aber bei weitem weniger anstrengend als der Aufenthalt in seinem Zimmer. Im Krankenhaus gab es auch eine kleine Bibliothek, und Jonah hatte hin und wieder ganz gern mal gelesen, aber seine Konzentrationsschwierigkeiten erlaubten ihm nicht, mehr als eine Seite am Stück zu lesen, und selbst davon wurde ihm so schlecht, das er sich bei mehreren Versuchen übergeben musste, bevor er das Lesen ganz aufgab. Man hatte ihm versichert, dass sich dieser Zustand noch bessern würde, ebenso wie seine Angststörung, aber bisher hatte er davon wenig bemerkt. Die Medikamente die er bekam wirkten zwar ganz gut, aber sie machten ihn auch schläfrig und waren laut Aussage der Ärzte keine Dauerlösung. Dann waren da natürlich noch seine Therapien. Ging es nach ihm, hätte er auf die auch ganz gern verzichten können. Zumindest die Physiotherapie hatte ganz gut angeschlagen und sein Bein war wieder weitestgehend in Ordnung gekommen... mit der Kopfverletzung sah es dagegen nicht so gut aus. Sein Haar war nachgewachsen und man sah inzwischen überhaupt nichts mehr, aber die Hirnschäden schienen nur sehr langsam, wenn überhaupt zu heilen. Und so war es gekommen, dass er im Krankenhaus geblieben war. In seinem Zustand war es unmöglich, die Schule zu besuchen. Kam er wieder heraus, würde er wohl das Jahr wiederholen müssen... Jonah blinzelte müde. Die Sonne und seine Medikamente machten ihn schläfrig. Sein Rücken sank gegen die Lehne des metallenen Stuhls, auf dem er saß. Es gab auch einige Holzbänke, aber Jonah hatte es nicht fertig gebracht, sich auf eine davon zu setzen. Bei seiner Sitzgelegenheit handelte es sich um einen Zweisitzer, zwei Stühle und ein Tisch dazwischen. Der Tisch machte, dass er sich nicht so nackt fühlte, wie es bei einer der Bänke der Fall gewesen war. Für einen Moment fielen ihm die Augen zu, und als er sie wieder öffnete, war er nicht mehr allein. Er blinzelte ein paar mal, um sein Sichtfeld zu klären, aber die Erscheinung verschwand nicht. Groß, schlank und mit langen schwarzen Haaren schien die Person so gar nicht hierher zu passen. Wobei, Jonah korrigierte sich, es lang eher an der schwarzen Kleidung. Er schluckte und schaute schnell in die andere Richtung. Seit er ins Krankenhaus gekommen war, war von seiner offenen und kontaktfreudigen Art nicht viel übrig geblieben. Er war zu scheu, um Blickkontakt aufzunehmen. Dann fiel es ihm wieder ein. Er hob den Kopf und schaute noch mal in die Richtung, wo er den anderen zum letzten Mal gesehen hatte. Wenn er sich nicht sehr irrte, hatte er ihn schon mal gesehen... war es gestern gewesen? Jonah war sich relativ sicher, dass sie sich kurz unterhalten hatten. Nur worüber wusste er nicht mehr so genau. Aber in seinem Fall war es schon ein Erfolg, sich überhaupt zu erinnern. Zumindest, wenn diese Erinnerung auch tatsächlich der Realität entsprach
Lui glaubte den ersten warmen Tag in diesem Jahr zu erleben. Die Sonne schien angenehm und wärmte seine Haut. Die schwarze, dünne Strickjacke die seine blasse Haut geschützt hatte benötigte er nun nicht mehr. Sie war locker um seine Hüfte gebunden und fügte sich damit nahtlos in das Outfit aus schwarzer Jeans und schwarzem Shirt ein, das mit einem V- Ausschnitt versehen war. Das markanteste an ihm war jedoch sein Lächeln. Sein Lächeln strahlte bis zu seinen schwarzen Augen, in denen sich Jonahs Erscheinung spiegelte. Fast so, als betrachte man ihn durch einen glänzenden Opal. Er ging auf den Jungen zu, nachdem er bemerkte dass ihre Blicke sich für den Bruchteil einer Sekunde gekreuzt hatten. Jonah war so scheu..er wirkte so zerbrechlich und verletzlich- und Lui vermutete, dass dies auch Gründe haben würde. Zum einen wäre er sonst nicht so unsicher..und zum anderen wohl auch nicht in einem Krankenhaus untergebracht. Aber es war gerade diese Scheu..und diese Zerbrechlichkeit, die den Mexikaner so angesprochen hatte. Er fühlte sich zu diesem Jungen vom ersten Moment an hingezogen..und war deswegen bereit ihn nur auf jede erdenkliche Art und Weise zu unterstützen. Deswegen trat er auch langsam näher, bis sein Schatten an Jonahs Knie reichte. ?Na, genießt du die Sonne?? fragte mit dem Lächeln, dass seine Mundwinkel entspannte, und seinem Gesicht eine weiche Note verlieh. Er strich sich das dichte schwarze Haar aus der hohen Stirn, und zeigte damit dass seine Haut schon ein wenig an Farbe gewonnen hatte. ?Darf ich mich zu dir setzen? Ich hoffe es stört dich nicht das ich heute schon wieder gekommen bin.? Schmunzelte er. ?Ich habe das Wochenende frei und habe mir gedacht, dass es hier für dich sicher langweilig sein wird.?Er suchte mit einem Schulterzucken den Blick des Jungen, als er sich auf den freien Stuhl neben dem Tisch fallen ließ. ?Und..? machte er es dann noch einmal spannend, und hob eine rosa gefärbte Tüte auf den Tisch. ?..ich dachte mir, dass du auch Appetit auf frisch gebackenen Kuchen haben könntest.? Löste er die Spannung mit einem weiteren Lächeln und schob die Tüte in die Mitte des Tisches. Es waren frische Brownies. Natürlich hatte er sie nicht selbst gebacken. Es waren Brownies von Elise. Aber diese hatte er sich speziell für diesen Tag von ihr gewünscht. Luis Meinung nach konnte Jonah auch nicht kräftiger bei dem Essen werden, was zum Teil in Krankenhaus Kantinen angeboten wird. Er hoffte nur auch, er würde den Geschmack des Jungen treffen.
Jonah schaute nur kurz auf, und dann sofort wieder weg, als der andere zu ihm an den Tisch getreten war. Anscheinend hatte er sich nicht geirrt, und sie waren einander schon mal begegnet. Er durchforstete sein Gedächtnis, aber ihm wollte nichts einfallen, außer, dass es vermutlich gestern gewesen war. Jonah fand es schwierig, mit Leuten umzugehen, die er vielleicht kannte, aber vielleicht auch nicht. "Hm... sicher?" antwortete er dann und riskierte einen winzigen Blick nach oben, bevor er wieder weg schaute. Erst auf seine Hände, dann irgendwo zur Seite in ein Gebüsch. Was Jonah erkennen konnte, war dass der andere, dessen Namen er entweder nicht kannte, oder den er vergessen hatte, älter war als er selber. Aus der Schule konnte er ihn nicht kennen. "Du hast wohl echt viel Zeit übrig... oder leistest du hier deine Sozialstunden ab?" versuchte er sich an einem halbherzigen Scherz, wobei sein Lächeln nur unzureichend seine Verletzlichkeit kaschieren konnte. Letztlich traute er sich zumindest, auf die Tüte zu schauen. Er schnupperte, und konnte zumindest feststellen, das etwas ziemlich gut roch... nur konnte er sich nicht überwinden, ein essbares Geschenk von jemand anzunehmen, den er gar nicht kannte. Er kniff die Augen zusammen und rieb sich mit dem Handrücken über die schmerzende Stirn. Er seufzte, und konnte den Moment dann nicht länger aufschieben. All seinen Mut musste er zusammennehmen, damit er aufschauen und Blickkontakt herstellen konnte. "Ich kann mich irgendwie an dich erinnern... Wahrscheinlich erzähl ich dir das jedes Mal..." sein scheues, trauriges Lächeln war wieder zurück gekehrt. "Ich hab Gedächtnislücken, und keine Ahnung wer du bist. Und bis zum nächsten Mal werd ichs wahrscheinlich wieder vergessen." Er senkte den Blick und begann, seine Finger ineinander zu verknoten. Es war so anstrengend, nicht zu wissen mit wem man es zu tun hatte. Jonah wünschte sich nur, dass dieser Zustand sich wirklich bald bessern mochte. "Also... hilfst du mir auf die Sprünge? Und keinen Mist erzählen.. irgendwann krieg ichs ja doch raus." sagte er und hob drohend den Zeigefinger, wenn die "Drohung" auch nicht sonderlich überzeugend wirkte.
Luis Lächeln wandelte sich in ein Grinsen, als der Junge ihm vorhielt hier im Krankenhaus vielleicht Sozialstunden abzuleisten. Das war eine ebenso witzige Vorstellung, wie die davon zu viel Zeit übrig zu haben. ?Das heißt dann wohl, ich bin entweder ein gefährlicher, oder ziemlich langweiliger Typ.? Lachte er und betrachtete Jonahs Versuch, die Tüte zu inspizieren. Er war so vorsichtig..und wirkte so verloren. Selbst in diesem kleinen Vorgarten.. ?Oh.? Dann musste er jedoch seine bequeme Haltung aufgeben, und sich dem Jungen zuwenden. Die ganze Zeit hatte er seine Nase in die Sonne gehalten, und die Augen dabei geschlossen. Jonahs Worte hatten seine Aufmerksamkeit erregt. Zum einen weil sie Aufschluss über den Grund gaben, aus dem er sich im Krankenhaus befand. Zum anderen weil erkennen konnte, dass der Junge eine Spur von Humor zeigte. Das erinnerte ihn ein wenig an Dani..und das wiederum wärmte sein Herz zusätzlich. ?Also..? begann er deswegen langsam, und stützte sein Kinn auf seine Hände, nachdem er seine Ellenbogen auf seine Oberschenkel gestützt hatte. ? Mein Name ist Angelo Dias. Und du hast recht, wir kennen uns schon flüchtig.?Gestand er mit einem Lächeln, bei dem er sein dunklen Wimpern niederschlug. Als würde ihn der gesenkte Blick in die Zeit des gestrigen Tages zurück versetzen. ?Gestern war Tag der offenen Tür hier im Krankenhaus. Ich wollte es mir deswegen mal ansehen. Ich bin Künstler und suche deswegen ständig nach neuen Eindrücken..?Erzählte er ein wenig, und behielt zunächst für sich, dass sein Besuch auch gleichzeitig einer Partnersuche gegolten hatte.. ?Dann bist du mir in der Halle vor der Cafeteria aufgefallen. Du sahst so abwesend und traurig aus..also habe ich mich zu dir gesetzt. Wir haben uns kurz unterhalten.? Umriss er weiterhin, während vereinzelte Haarsträhnen über seine Schultern fielen, weil er sich vorbeugte. ?Du hast dich mir vorgestellt. Deswegen weiß ich dass du Jonah heißt..und dass du schon eine Weile hier bist. Ich habe dir von meiner Arbeit erzählt..und wir hatten uns kurz über das Essen in der Cafeteria unterhalten, weil ich mir nicht vorstellen konnte das es dort schmeckt.? Fügte er weiterhin lächelnd an, ehe sich seine Augen noch einmal für einen Moment eine Spur weiteten. ?Oh..und du kannst mich ruhig Lui nennen. Das hatte ich dir gestern auch gesagt. All meine Freunde tun das?hilft dir das schon weiter?? beließ er es zunächst, den Jungen mit weiteren Informationen zu füttern. Er wollte, dass er zunächst diese verarbeiten konnte?selbst wenn es den Halbmexikaner unter den Fingern brannte. Er wollte so gern mehr über den Gedächtnisverlust in Erfahrung bringen, an welchem Jonah zu leiden schien. ?Ich helfe dir gern öfter auf die Sprünge, wenn nötig.? Ließ er es sich jedoch nicht nehmen, seinem Schulterzucken noch anzufügen. Dann wartete er jedoch ab, wie der Junge auf seine Erzählungen reagierte.
"Hm...." sagte er nur, als Lui seine Ausführungen beendet hatte. Er war sich nicht so richtig sicher, ob es ihm weiter half. Er rutschte auf seinem Stuhl herum und schob die Hände in die Taschen, nur um sie kurz danach wieder herauszuziehen. Er war auf der Suche nach seinen Notizkarten gewesen, hatte sie aber scheinbar nicht dabei. Sie lagen sicher noch oben in seinem Zimmer. "Kommt mir irgendwie bekannt vor." meinte er dann, ohne sich dessen aber völlig sicher zu sein. Wahrscheinlich hatte er gestern seine Karten auch nicht dabei gehabt. Zumindest konnte er es überprüfen, ob er irgendwelche Notizen über einen Lui hatte, wenn er später wieder nach drinnen ging. Er musste sich die Hand vor den Mund halten, um ein Gähnen zu verstecken. Gestern war er wahrscheinlich munterer gewesen, wenn er in der Cafeteria gewesen war. "Und? Bist du nun langweilig, oder gefährlich? Hoffentlich eher das erste..." er blinzelte und schaute wieder auf die Tüte. "Bist du gekommen, um mich zu besuchen? Und wenn ja.. warum?" wollte er dann wissen. "Oder hast du hier irgendwelche Angehörigen? Hier im Krankenhaus gibt's ja nichts besonders künstlerisches... Da würden sogar mir spontan drei andere Orte einfallen, wo man sich besser inspirieren könnte." Er blinzelte wieder und lächelte dann. "Diese Medikamente machen mich oft so müde, dass ich kaum die Augen offen halten kann. Wahrscheinlich vergess ich deswegen sogar noch mehr als so schon. Ich hatte einen... Unfall. Hab mich am Kopf verletzt... und jetzt habe ich eine Störung in meinem Kurzeitgedächtnis. Ich weiß noch fast alles vor dem Unfall, aber das meiste danach vergesse ich einfach so. Die Ärzte meinen, dass es mit der Zeit noch besser werden wird. Hoffentlich stimmt das auch. Es nervt ganz schön, wenn man jeden Tag neue Leute kennenlernen muss." versuchte er sich wieder an einem Scherz.
?Du kannst beruhigt sein. Ich bin nicht gefährlich, höchstens langweilig.? Lachte Lui. ?Ich liebe die Fotografie. Du solltest dir ein paar meiner Arbeiten ansehen. Ich habe extra ein paar auf dem Handy mitgebracht. Ich wusste nicht, ob ihr hier im Krankenhaus über einen Internet Zugang verfügt. Ansonsten hätte ich dir meine Seite zeigen können. ? Kam er langsam ins reden, und neigte den Kopf immer in Richtung des Jungen. Er wischte dabei über den Bildschirm seines Handys um seine Gallerie zu öffnen, wo vor allem Bilder von Danis Hasen und Enten zu finden waren. Natürlich auch Burstis in Frühjahrskollektion..aber auch Bilder von der giftigen See, aus welcher der Hänge und Klippen ragten wie die geschärfte Seite eines Messers. Der Mond wachte wie ein stiller Zeuge über das Schauspiel vor dem Komplex. ?Hier, falls du es dir mal anschauen möchtest.? Schlug er vor, und reichte dem Jungen sein Handy. ?Außer, du bist vielleicht zu müde?soll ich dich vielleicht auf dein Zimmer bringen?? fragte er an. Und dies wirklich ohne einen zweideutigen Hintergedanken, wie es ihm von Urmel unterstellt worden wäre. Sein Blick war von einer Spur an Sorge durchzogen, doch sie tat seiner ruhigen Ausstrahlung keinen Abbruch. ?Dein Unfall scheint wirklich schwerwiegend gewesen zu sein, du solltest dich nicht überanstrengen??teilte er dennoch seine Sorge mit dem Jungen, ehe er den Kopf neigte. ?Du hattest gestern angedeutet, dass du nicht oft Besuch bekommst..und da ich dich gleich mochte..dachte ich mir, du könntest einen Freund gebrauchen der dir Brownies bringt, und dich nötigt seine Fotos zu sichten..? endete er ebenfalls in einem flüchtigen Lächeln- und einem versuchten Scherz..
"Gut... gut..." murmelte er. Offensichtlich bevorzugte er langweilig gegenüber gefährlich. Die müden Augen fielen ihm zu, gingen dann aber wieder auf, als Lui ihm das Handy vor die Nase hielt. Erst hatte er keine besonders große Lust, zu schauen, aber als sein Blick einige der Tierbilder streifte, war sein Interesse doch geweckt und er lachte. "Die sind ja süß." schmunzelte er und wischte sich durch die Galerie. "Das Schweinchen hat ja Sachen an." grinste er und schüttelte belustigt den Kopf. Zumindest für einen kleinen Moment schien er seine Sorgen vergessen zu haben. Für die anderen Bilder hatte er zumindest im Augenblick nicht so viel Aufmerksamkeit übrig, um sie auf sich wirken zu lassen, so dass er schließlich zustimmte, sich auf sein Zimmer bringen zu lassen. Er wollte schließlich auch nicht hier im Garten einschlafen. "Oh, da hab ichs wohl noch nicht erzählt..." schloss er aus dem Kontext, und ließ sich beim Aufstehen helfen. "Es ist zwar schon ein bisschen länger her jetzt, aber vielleicht hast du es ja in den Nachrichten gesehen. Vor ein paar Wochen gab es in einer Diskothek einen Brand. Ich bin auch da gewesen beim Feiern und naja..." er steuerte den Eingang ins Innere des Krankenhauses an, während er stockend erzählte. "Es ist Panik ausgebrochen und ich bin wohl gestürzt oder sowas." Er zuckte die Schultern und schaute auf den Boden vor sich. "Ich weiß nicht mehr genau. Ich hab mir das Bein gebrochen und mich am Kopf verletzt. Dass ich wenig Besuch habe liegt auch daran, dass ich niemanden mehr sehen will. Ich konnte mich nicht mehr an alle meine Freunde erinnern, die mich besucht haben." Sie hatten den Fahrstuhl angesteuert. Zumindest vergaß er inzwischen auch seine Zimmernummer nicht mehr. "Ja... das ist im Großen und Ganzen schon alles. Seitdem hab ich eine fiese Angst Störung. Nicht cool." er schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich war es ihm unangenehm, von seinen Freunden in diesem Zustand gesehen zu werden. Oder überhaupt von jemandem. Daher auch sein Versuch, das Thema zu wechseln. "Wie alt bist du eigentlich?" wollte er deswegen wissen, als der Fahrstuhl anhielt und sie aussteigen konnten. Er machte nur noch einen kurzen Halt am Kaffeeautomat, wo er darauf bestand, Lui einen Kaffee zu spendieren. "Weil du ja schon Brownies mitgebracht hast." war seine Erklärung, bevor er ihn in sein Zimmer führte.
Lui erfreute sich an Jonahs Blicken. Als sie die Bilder des Schweinchens gestreift hatte, sah er wieder für einen Moment lang aus, als wäre er ein unbeschwerter Teenager. So wie es sich für sein Alter eigentlich gehören würde. So musste er auch die Stirn runzeln. Von diesem Unfall in der Diskothek hatte er wirklich gehört. Am Komplex sprachen sich Nachrichten vom Festland sehr schnell herum. Viele hatten dort Verwandte.. ?Ich erinnere mich. Es kam in den Nachrichten.? Nickte er dann knapp und hatte zur Sicherheit seinen Arm wie einen Schatten um Jonahs Rücken gelegt. Aus Angst der Junge könnte in seiner Müdigkeit hinfallen, oder über die schleichenden Füße stolpern, hielt er es für sicherer. Zudem konnte er Jonahs Haltung nachvollziehen, die er mit ihm auf dem Weg zum Krankenhaus teilte. Light hatte einmal so etwas ähnliches erwähnt. Lui vermutete, dass man sich mit diesem Prozess der Trennung wohl zwangsläufig auseinandersetzte, wenn einem etwas so einschneidendes zustieß. Jonah hätte genauso gut tot sein können..und obwohl er Glück damit gehabt hatte, zu überleben erinnerte ihn doch jeder Tag des Vergessens daran, wie allein er eigentlich ohne seine Erinnerungen war. Lui spürte die schwermütige Wärme in seiner Brust. Er wollte Jonah beschützen..und ihm helfen, sich aus seiner Einsamkeit lösen zu können. Ja, selbst wenn er ihm dafür selbst Karteikarten schrieb, oder seinen beistelltisch mit Erinnerungsfotos tapezierte. So oder so..er wollte Jonah helfen, etwas zu finden an dem er sich im hier und jetzt festhalten konnte. Lui seufzte, im Bewusstsein seine Gedanken nicht vollkommen teilen zu können- aber sein Blick klärte sich bei dem Versprechen auf Kaffee auf. ?Schwarz bitte.? Murmelte er ihm über die Schulter zu, um besser die beleuchteten Schilder lesen zu können, welche die wählbaren Sorten auszeichneten. ?Ah..und ich bin schon um einiges älter wie du. Um genau zu sein, schon 26.? Kam er dann wieder darauf zurück, als er sich an Jonahs Frage erinnerte. Er wartete darauf die Kaffeebecher entnehmen zu können, so dass er sie in Jonahs Zimmer tragen konnte. ?Geboren bin ich in Mexiko, aber Mexikaner bin ich nur zur Hälfte.? Lächelte er, um Jonah weiter abzulenken. ?..zur Hälfte die Vorliebe für scharfes Essen hat, mit zwölf Jahren mit dem Rauchen beginnt und sich kritisch mit Missständen auseinandersetzt. Meine amerikanische Hälfte liebt Horrorfilme, moderne Kunst und alles was die Musikszene in Richtung Industrial oder Dark Wave zu bieten hat.? Lui schwieg für einen Moment, als Jonah ihn in sein Zimmer führte, und schließlich die Tür zu selbigen öffnete. ?Hey..ist doch ganz nett.? War sein Fazit beim ersten Blick den er erhaschen konnte. ?Die Brownies hat im übrigen eine gute Freundin von mir gebacken. Sie betreibt sogar ein eigenes kleines Cafe. Ich bin mir sicher, dass du noch nie so gute Schokobrownies gegessen hast.?
Für sich selbst hatte Jonah auch einen Kaffee gezogen, aber mit Milch und Zucker. Er drückte die Deckel noch an, um sie nicht auf dem Weg zu verschütten. "Wow, so alt, und so uncool." grinste er, offensichtlich hatte er für Industrial und Dark Wave nicht besonders viel übrig. "Hip Hop 4 life!" machte er, und nur die Kaffeebecher in beiden Händen verhinderten wohl, dass er ganz im Gangster Style mit den Fingern vor Luis Gesicht herumwedelte. "Nee, nur Spaß. Ich mag auch Horror Filme und scharfes Essen. Aber, hm..." setzte er dann an und knallte die Becher im Zimmer angekommen auf seinen Nachttisch. Dort fand man als einzigen anderen Schmuck verblühte Blumen in einer Vase, deren Blätter an den Rändern braun wurden und schon die Köpfe hängen ließen. Den Rest an Habseligkeiten - jetzt unsichtbar - hatte er irgendwann in eine der Schubladen gefegt. Ein paar Süßigkeiten und Grußkarten, die jemand gebracht hatte. Er konnte sich nach einigen Tagen nicht mehr erinnern, wer hier gewesen war. Es nervte, weil er die Leute zwar noch kannte, aber keine Ahnung hatte was er mit ihnen geredet hatte. "Du bist doch nicht so ein Irrer, der sich an kleine Jungs ranmacht? Und dann bei irgendwelchen komischen Ritualen opfert?" Obwohl seine Augenlider durch die Müdigkeit schwer waren, war sein Blick auf einmal ganz scharf geworden. Lui konnte sich so sicher vorstellen, wie Jonah wohl vor seinem Unfall ausgesehen haben musste: ein gutaussehender Teenager mit klaren, intelligenten Augen und einem raschen Verstand. Allerdings hielt sein Interesse nicht lang. "Aha, da sind sie ja!" er hatte endlich seinen Kartenstapel entdeckt. Eine Ecke ragte unter der Bettdecke hervor. Sie mussten ihm aus der Hosentasche gerutscht sein, als er Mittags geschlafen hatte. "Wenn du vor hast, mich öfter zu besuchen lege ich dir eine eigene Kartei an." versprach er, und sein wachsamer Blick ruhte dabei die ganze Zeit auf ihm. Trotz seiner schweren und derzeit langsamen Gedanken, beobachtete er ihn ganz genau. "Was ist das genau für eine Freundin? Was festes?" er blieb wachsam, während er versuchte desinteressiert auszusehen und angelte nach einem Stift, wohl um sich Notizen zu machen.
Luis Tüte raschelte, als er an Jonah in Richtung Fenster vorbei zog. Der obligatorische Besuchertisch, der ohne jegliche Habseligkeiten ausgestattet war, bekam nun seine persönliche Note durch das Päckchen, was der Schwarzhaarige aus dem Tütchen zog. ?Ach, keine Sorge.? Antwortete er nur knapp- die scharfen und gleichermaßen kritischen Blicke auf sich spürend. Lui warf ein Blick über die Schulter, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. Er löste das Papier, um die fertigen Brownie ?Stückchen auf die Servietten zu drapieren. ?Nur die jungfräulichen kleinen Jungs in der Nacht vom 31 Oktober zum ersten November bei Vollmond. Das heißt, du bist noch ein paar Monate vor mir sicher.? Luis Lippen waren zwar von einem schmalen Lächeln durchzogen, doch auch er studierte Jonahs Mimik genau. Als Künstler war und blieb er nun einmal sehr aufmerksam..und diese Auffassungsgabe verriet ihm, das Jonah ebenfalls ein nachdenklicher, kluger Junge war. Lui war sich sicher das seine Schlagfertigkeit mit seinem Erinnerungsvermögen noch weiter zurückkehren würden. Es freute ihn, dass er so Schicht um Schicht von Jonahs Persönlichkeit entdecken konnte. Als er dann jedoch schon geöffnet hatte um etwas anzufügen, schoss Jonah schon an ihm vorbei- weil er seine Karteikarten entdeckt hatte. Das war dann wohl doch Interessanter als in Erfahrung zu bringen, ob er es mit einem Verrückten zu tun hatte. Lui hob dann nur den Finger um etwas von der Schokolade aufzunehmen, die noch an seinen Fingern klebte. ?Da könntest du gleich drauf schreiben, dass ich nur ein harmloser Goth bin, und kein Satanist.? Implizierte er sogleich dass er vor hatte, Jonah öfter besuchen zu kommen. ?Ich esse nicht einmal Fleisch..ich rauche höchstens zu viel.? Meinte er dann schulterzuckend, ehe sich ein Funkeln Belustigung in seine beinah schwarzen Augen schlich. Jonahs Frage war aus dem Grund lustig, weil man bei ihm, Lui- und Elise in der Regel nicht von einem Paar ausging. Das machte die Vorstellung amüsant. Und Jonahs Gesicht- in dem er in diesem Moment lesen konnte wie in einem Buch, entzückte Lui noch mehr. War er etwa schon Eifersüchtig? Zumindest schien er an seinem Liebesleben interessiert zu sein. Mit einer schwungvollen Bewegung und zwei Stück von den Brownies in den Händen, schritt er zum Bett wo er sich auf die Kante sinken ließ. ?Elise und ich sind nur gute Freunde. Ich bin Single.? Informierte er mit gespielt arglosen Blick, der mit den fast schwarzen Pupillen den Blick des Jungen suchte. ?Brownie?? fragte er dann noch, und hielt ihm sein Stück entgegen.
"Haha, sehr witzig!" meinte Jonah und streckte ihm die Zunge heraus. Dann jedoch verwandelte sich seine beleidigte Miene in ein grinsen. "Dann musst du dir in ein paar Monaten sowieso jemand anders suchen. Ich bin kein bisschen jungfräulich mehr." Ob Jonah das wohl auch gesagt hätte, wenn seine Beruhigungsmittel und Antidepressiva ihn nicht gleichzeitig ruhiger und glücklicher machten? Vielleicht, in dem Alter prahlten ja viele Jungs gern mit echten und erfundenen Erfahrungen. Auf jeden Fall schien er nun nicht mehr beunruhigt und kritzelte auf einer seiner Karten herum. Offensichtlich wurde gerade die Akte Lui angelegt. Er hatte spaßeshalber ein umgedrehtes Kreuz gemalt, aber dieses dann durchgestrichen. Jonah zuckte die Schultern und kritzelte weiter. Er wollte keine Sachen aufschreiben, die ihn vielleicht in Zukunft verwirren konnten, wenn er den Inhalt ihres Gesprächs vergessen sollte. Er notierte Namen, Alter und andere Dinge, die Lui genannt hatte, wie das er halb Mexikaner, halb Amerikaner war, Vegetarier, Künstler und Goth.... Und malte eine Karikatur von ihm, mit seinen langen Haaren. So stellte er sicher, ihn jederzeit wiederzuerkennen. "Weißt du, Tierliebe und Vegetarismus sagt aber noch nichts darüber aus, ob jemand Menschen hasst." nickte er ganz ernsthaft. "Aber ich denke ja nicht, dass du so jemand bist." Überhaupt hatte er sich jetzt an einem ganz anderen Thema festgebissen. "Denkst du echt, dass Jungs und Mädchen nur Freunde sein können?" Dabei betrachtete er den Brownie so argwöhnisch, als ob er doch giftig sei und ihm jeden Moment in den Mund springen könnte. Leider roch er so kurz vor seiner Nase noch leckerer als zuvor in der Tüte. Er merkte schon, wie ihm das Wasser im Mund zusammen lief. Aber so leicht gab er der Versuchung nicht nach. "Kann ja sein, dass du single bist... aber wer sagt, dass deine "Freundin" nicht heimlich auf dich steht? Na?" erkundigte er sich und wunderte sich dann, warum seine Lippen so nah vor dem Schokobrownie waren? Er war wohl ein wenig zur Seite gekippt, als er den Kopf schief geneigt hatte. "Mit guter Freundschaft fängt es immer an... und dann... und dann..." wurde seine Aussprache immer verwaschener. "Ach, du weißt schon."
Lui zog für den Bruchteil einer Sekunde die Augenbrauen zusammen. Jonahs Zustand machte ihn misstrauisch, so dass er sich vom Bett abstützte um die Brownies dann auf den Nachttisch zu legen. ?..Und dann legst du am besten mal die Beine hoch.? Riet er dem Jungen, und stellte dessen Kissen auf. So konnte er sicher stellen, dass der Junge dagegen sank, als er ihn zurück drückte und seine Beine nachzog. Lui zog noch die Decke über ihn, bevor er sich auf dessen Bauchhöhe mit auf die Seite des Bettes setzte, so dass er mit den Rücken an ihn stieß. Seine langen schwarzen Haare reichten bis in die Falte, welche die Bettdecke warf. ?Ich bin mir im Übrigen ganz sicher dass sie nicht auf mich steht.? Kam er dann wieder auf das Thema zurück, und strich dem Jungen ein paar Haare aus der Stirn. Er wolle prüfen ob er Fieber hatte..aber seine Fingerspitzen konnten keine verdächtige Temperatur ausmachen. ?Elise hat lange um ihre große Liebe gekämpft. Glaub mir, sie ist jetzt wirklich glücklich wo sie ihren Freund hat.?Umriss er kurz und griff nach seinem Kaffee um einen Schluck davon zu nehmen. ?Möchtest du auch etwas von deinem Kaffee?? fragte er nach seinem ersten Schluck. Als er den Becher wegstellte, brach er sich noch eine Ecke von der schokoladigen Köstlichkeit ab, um sie zwischen die Lippen zu schieben. Dann musste Lui wieder lächeln, weil ihn Jonah wirklich immer besser gefiel. Natürlich machte er sich auch Sorgen um den Jungen..aber im Allgemeinen tat ihm seine Persönlichkeit unbeschreiblich gut. ?Im Übrigen hast du mich da echt gut getroffen.? Tippte er anschließend auf die Karteikarte, um seine Aussage zu unterstreichen. ?naja, bis auf die Nase vielleicht.? Ließ er es sich nicht nehmen, mit einem Lächeln noch eine Spitze anzufügen.
Jonah prustete, als man ihn gegen seinen Willen ins Bett verfrachtete. Er leistete allerdings auch nicht besonders viel Gegenwehr, weil der Schwindel ihn ein wenig orientierungslos machte. Sein Zustand besserte sich aber rasch, als er dann halb sitzend liegen konnte. Er machte nur die Augen zu und wartete, bis die Welt aufhörte sich zu drehen. Dann streckte er nur zustimmend die Hände aus und wartete, dass Lui ihm den Becher gab. Er sagte zwar nichts, und sein Misstrauen schien noch nicht besänftigt, aber zumindest war er nun bereit, auch ein Stück vom Kuchen zu essen. Ein Zugeständnis, wenn auch ein kleines. "Heh... ja, ich bin auch ein Künstler." lächelte er dann leicht. "Naja, nicht wirklich. Ich denke, ich war eher sportlich. Schmeckt gut." meinte er dann und zeigte auf den Brownie. Seine gerunzelte Stirn deutete an, dass er über etwas nachdachte. "Und wie ist das bei dir? Stehst du auf sie? In irgend eine Richtung muss das doch gehen, oder?" Offensichtlich war er noch immer nicht bereit, das Thema ruhen zu lassen. Dabei machte er einen so finsteren Gesichtsausdruck, wie eine Gewitterwolke die sich vor die Sonne schiebt. Er konnte auch nicht sagen, warum das Eifersuchtsmonster ihn gerade jetzt zu beißen schien. Allgemein war er immer schon etwas zickig gewesen, wenn man vor ihm von anderen redete... glaubte er. Seine Finger fanden das Ende der langen Haarsträhnen, und er wickelte es um seinen Zeigefinger. Luis Haare waren wirklich lang, und dabei erstaunlich weich und kräftig. Seine Haare waren ebenfalls schwarz, aber fiel feiner und weicher. Hätte er sie auf die Länge wachsen lassen, wären sie wohl kaum mehr als lange, traurige Spaghetti gewesen, die an seinem Kopf herabhingen. Er ließ die Haarsträhne los und fasste sich an den Kopf, an die Stelle wo das Haar gerade erst nachgewachsen war und so die ehemals kahle Stelle verbarg. "Jetzt kommst du sicher nicht mehr zu Besuch. Ich glaub die Medis machen mich noch ganz irre." seufzte er. "Und das schlimme ist, ich werd nicht mehr wissen, was ich gemacht habe. Außer, ich würde es aufschreiben... und wenn ich das täte, würde ich mich zu sehr schämen wenn ich es nachlese."
Lui empfand ungeheuer viel Mitleid mit dem Jungen. Er wirkte nun wieder so traurig und verletzt wie am gestrigen Tag. ?Mein Herz ist ganz frei. Ich schwöre, da sind keinerlei romantische Gefühle im Spiel.? Murmelte er schuldbewusst, und wohl wissend dass er wohl die Eifersucht gesät hatte, die nun an Jonah nagte. Lui betrachtete ihn dabei, wie er sich über die kürzeren Haare strich und hob ebenfalls die Hand um vorsichtig über den kurzen Flaum zu streichen. ?Das ist die Stelle deiner Kopfverletzung?? vergewisserte er sich, und neigte den Kopf. Man konnte noch leicht die Narbe spüren, die sich unter den schwarzen Härchen abzeichnete. ?Du wurdest sicher operiert oder? Hast du oft Kopfschmerzen?? wollte er sich weiter über Jonahs Gesundheitszustand informieren, und glitt mit den warmen Fingerspitzen von seiner Kopfhaut ab. ?Hey..und das ist doch nicht deine Schuld. Es war blöd von mir dir von Freunden zu erzählen, wo wir uns gerad erst kennenlernen.? Fügte er noch an und nahm dann wieder einen Schluck vom Kaffee. ?Das gute wird sein, dass du meinen Fehler dann wohl das nächste Mal vergessen hast.? Schmunzelte er, und lächelte Jonah erneut warmherzig an. ?Du musst dich also auch nicht schämen?und ich möchte dich wirklich gern so oft es geht besuchen.? Versuchte er seinerseits, das Thema zu wechseln, und strich sich erneut das Haar aus der Stirn. ?Wenn du magst kann ich sogar jeden Nachmittag vorbei kommen. Am Wochenende auch mal früher. Wie wäre das für dich? Dann wirst du mich bald schon besser kennen wie die Ärzte die dich jeden Tag untersuchen.? Versuchte sich Lui an einem Scherz, und streichelte beiläufig dabei Jonahs Bein durch die Decke. ?Geht?s deinem Kopf jetzt etwas besser? Wenn du etwas brauchst, kann ich es dir auch bringen.? Bot der dunkelhaarige noch an, ehe er den Blick niederschlug.
Jonah seufzte nur. So schwer, als ob er die ganze Last der Welt auf seinen Schultern trug. Und wahrscheinlich fühlte er sich auch so. Zumindest schien er nichts dagegen zu haben, dass man ihn am Kopf anfasste. Er nickte nur leicht. "Manchmal schon, aber ich habe Schmerzmittel und alles. Dann geht's schon." Er stockte kurz und sprach dann weiter. "An die OP erinnere ich mich gar nicht mehr. Ich hab einen Schlag auf den Kopf gekommen oder bin gefallen, und durch eine Blutung ist der Hirninnendruck angestiegen, so dass man meinen Kopf öffnen musste... hat man mir erzählt. Die Ärzte wussten zu dem Zeitpunkt noch nicht, ob ich dauerhafte Schäden haben würde und wie die aussehen sollten." er zuckte die Schultern und präsentierte die Karte, auf der das alles notiert stand. "Da, sonst wüsste ich das auch nicht mehr. Am Anfang hatte ich noch ein paar Probleme mehr, aber inzwischen ist es fast nur noch das Kurzzeitgedächtnis. Mit ein bisschen Glück regeneriert es sich aber noch weiter." Er angelte nach seiner Karte - so abgegriffen wie sie war, hatte er sie wohl oft gelesen - und sah trotz der aufmunternd gemeinten Worte immer noch niedergeschlagen aus. Deswegen drehte er sich letztlich auch auf die Seite und rollte sich zu einem Ball zusammen. "Ich möchte jetzt erst mal schlafen, ich bin müde." murmelte er. Zumindest würde er wirklich bald vergessen, dass er Depressionen hatte, und warum.