"La Santisima Muerte...la Santa Muerte." Luis Worte kamen sanft über seine Lippen. Sie hatten einen beinah melodischen Klang-untermalt vom leisen kratzen seiner Stimme. Er legte seine Hände um den weiß-glänzenden Schädel auf seiner Töpferscheibe. Natürlich fertigte er hier keinen Ton. Aber der Drehteller erwieß sich als durchaus praktisch für diese Arbeit. "Das bedeutet soviel wie -der allerheiligste Tod-." erklärte er und lenkte seinen Blick von dem glitzernden Schädel ab. Er suchte mit seinen schwarzen Augen nach Area, die er in seine Gallerie eingeladen hatte. Er wollte ihr etwas mitgeben...
"Das ist unsere Totengottheit. Polizisten beten vor ihr für ihre Unversehrtheit. Sie legen ihr Ringelblumen , Marzipan oder Schokolade zu den Füßen. Und Banditen? Sie bringen Tequila mit..oder klemmen ihr einen Joint zwischen die knochigen Finger. Sie legen ihr ihren Pistolengurt um den Hals und beten für Unversehrtheit..oder zumindest einen schmerzfreien Tod." Wieder lächelte der dunkelhaarige. Er furchte mit den Daumen die Augenhölen in den Schädel aus Zucker, Wasser und Stärke. Er glänzte wie Schnee unter dem Sonnenlicht, das durch die Fenster der Gallerie brach. "Und weißt du was? wenn sie beten, klingen sie alle gleich." Als die Augenhölen zu seiner Zufriedenheit geglättet waren, wischte sich Lui die Anstregnung von der Stirn. Er trug ein graues, fleckiges Shirt. Auf der Brust befand sich ein schwarzer Aufdruck der an einen Raben erinnerte. Seine dichten schwarzen Haare hatte er zu einem Zopf geflochten dessen Ende sich in Hohe seiner Hüfte verlor.
"Santa Muerte ist eine Frau. Sie wird meistens als Skelett dargestellt. Man sagt sie ist eitel, launisch und bestimmend. Aber sie ist auch gerecht. Sie kümmert sich um arme und reiche. Sie macht keinen Unterschied zwischen Drogendealer und Polizist. Sie sorgt nur...für das Gleichgewicht. Aber da ist noch etwas." Lui wurde wieder leiser. Er beugte sich über den Schädel und befeuchtete seinen kleinen Finger mit den Lippen. Dann senkte er ihn über die Seite vom selbst geformten Schädel. Er musste etwas in ihn schreiben, ehe der Zucker vollkommen ausgehärtet war.
"Man kann sie auch um etwas bitten. Manchmal erfüllt sie einem die größten Wünsche. Sie müssen sich nur mit dem Tod, oder den Schutz davor befassen." Lui war zufrieden mit seinem Werk. Er nahm den Schädel von der Töpferscheibe, setzte ihn in ein unauffälliges Geschirtuch und schritt damit zum Sofa. "Ich habe dir und Alexej zugehört. Wegen seinem Partner.." Luis Wimpern senkten sich ebenso wie seine Stimme. "Der hier ist für euch." sagte er sanft und legte den Schädel samt Tuch in Areas Hände. " Ich habe seinen Namen auf ihn geschrieben. Wenn wir viel an ihn denken, wirkt der Schädel wie ein Wegweiser. Vielleicht hilft Santa Muerte und bringt ihn zu uns."
Luis Geschenk kam vom Herzen. Er hatte sich Gedanken gemacht und wünschte sich nur, dass er helfen konnte. Der Tod war nicht das Ende, nur weil jeder versuchte es einem einzureden.
Area war sehr gerührt von Luis Geschenk. Sie hatte bis zu seiner Erklärung nicht gewusst, worum es sich handelte. Jetzt musste sie das Tuch samt Schädel aber neben sich legen und aufstehen, um Lui fest zu umarmen. Da sie nicht wusste, was sie sagen sollte, ließ sie Umarmung andauern und vergrub das Gesicht in seinem Shirt. Es verströmte einen tröstlichen, vertrauten Geruch. "Danke..." sagte sie schließlich, als sie sich löste. Sie vermied seinen Blick und wandte sich dem Geschenk zu. "Das mag ich so an dir... du weißt unheimlich viele Sachen. Ich denke... deswegen will ich selber nicht so viel wissen. Es macht mehr Spaß, von dir mit kleinen Wundern überrascht zu werden." Ein trauriges Lächeln huschte über ihre Lippen, und sie warf ihm einen kleinen Seitenblick zu. "Ich war nie besonders gläubig. Meine Großeltern waren religiös, aber ich bin ja schon sehr jung in das Mech-Programm aufgenommen worden. Um religiöse Bildung ging es da nie, und vermisst habe ich es auch nicht." Sie setzte sich wieder und zog das Tuch samt Schädel auf ihren Schoß, wo sie ihn betrachten konnte. "Weißt du, wofür ich mich interessiert habe? Science-Fiction. Ich dachte immer, das Leben würde für mich nicht viel bereit halten. Wenn man so viel Zeit allein verbringt, wird man etwas komisch mit der Zeit, schätze ich. Mein Ding für Mechs kennt jeder, aber ich hatte noch ein anderes Ding, von dem ich nie jemandem erzählt hab. Wem auch... Jedenfalls, ich habe meine Antworten immer außerhalb gesucht. Unter Menschen fühlte ich mich so ausgestoßen und isoliert... Aliens, das war mein Ding. Eine höher entwickelte Rasse, so hab ich mir das immer vorgestellt. Eine weisere, gütigere Rasse... irgendwas, wo sogar eine traurige Karikatur wie ich aufgenommen werden kann. Area ist die Kurzform von Area Fifty-One. Das habe ich nie jemandem erzählt. Wenn wirklich mal jemand gefragt hat, habe ich behauptet das wäre die romanische Schreibweise von meinem russischen Namen. Den meisten hat das ausgereicht... Aber ich verliere mich. Was ich eigentlich sagen wollte ist, in den vergangen Jahren habe ich da nicht mehr die Antwort gesucht. Ich glaube viel eher, dass du näher an der Wahrheit ist. Spirituelles nimmt sicher einen großen Platz im Leben von Menschen ein... Und wenn ich über Louis nachdenke, dann gewinnt Religion einen immer höheren Stellenwert für mich. Ich habe ihn nie persönlich kennengelernt, aber ich vermisse ihn. Und deswegen bin ich froh, dass du so viel über all diese Themen weißt... Vielleicht kannst du mir ja beibringen, wie man mit so jemand.." sie zeigte auf den Schädel "..umgeht."
Luis strich sich eine gekräuselte Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann musste er lächelnd Areas Wange streicheln. Seine Hand war warm und rauh. Er pflegte sie nicht besonders aufwendig, so dass die Haut mehrere kleine Risse aufwies."Weißt du, in Mexiko ist so gut wie jeder Bewohner Katolik. Aber nur die wenigstens können etwas mit der Kirche anfangen." murmelte er, und ließ seine Hand dann auf ihre Schulter gleiten. Er drückte Area zurück auf das Sofa, und ließ sich neben ihr nieder. "Und so geht es nicht nur Mexikanern. Viele Menschen sind davon enttäuscht, dass der einzige Weg darin bestehen soll, auch noch die andere Wange hinzuhalten." fuhr er fort und streichelte wieder mit seinen Fingern über Areas Wange. Seine Ringe gingen unter den schwarzen Strähnen verloren. "Das schöne an Spiritualität ist, dass der Weg dort hin nicht nur durch Leid begangen werden kann. Der Mensch kann viel mehr, als man ihm all die Jahre lang versucht hat, weiß zu machen. Jeder Mensch, der möchte hat etwas starkes in sich. Du auch." Wieder kehrte das sanfte Lächeln in Luis Augenwinkel zurück. Winzige Fältchen bildeten sich auch in seinen Mundwinkeln. Lui wirkte entspannt. "Deswegen spürst du Louis. Deswegen bist du empfänglich..dafür, braucht es keine Ausbildung." Lui unterbrach mit einem schmunzeln, und ließ seine Finger unter Areas schwarzem Haar auftauchen. Er legte seine Hand direkt auf ihre Brustmitte..knapp oberhalb ihrer Rippenbögen. "Aber ich kann dir zeigen, wie man diese Verbindung am besten nutzen kann."Sein nicken galt dem Schädel neben seiner Freundin, deren Blick er sogleich wieder suchte. "Frag dich, was Louis mögen könnte..oder frag Alexej danach, wenn du noch keine Antwort weißt. Dann legst du diese Dinge neben den Schädel. Stell ihn an einen Ort, der dir in deinem Zimmer angenehm ist...und bezieh ihn so oft in deine Gedanken ein, wie es möglich ist. Die anderen sollen das auch tun. Und..das gute daran ist, dass falls etwas geschiet, es auch nur Louis sein kann der antwortet. Denn dann hat Santa Muerta ihn zu uns kommen lassen." Lui senkte seine Stirn, damit seine Nasenspitze die Areas berühren konnte, bevor er leise weitersprach. "Sie hilft nämlich nicht nur Mexikanern..und ich bin mir sicher, in anderen Kulturen hat sie andere Namen..doch sie ist immer wieder die selbe. Und wenn Louis zu dir und Alexej zurück kann, wird er es so tun können." Wieder folgte ein schmunzeln. "Du wirst auch deine Antwort finden. Dein Herz ist stark, und niemand ist perfekt. Ich bin wirklich froh, dass du so liebe Menschen wie Alexej oder Stalki um dich hast, die dich beschützen. Ich hoffe nur, du kannst dich auch wieder auf mich verlassen.."
"Ich will mich auch auf dich verlassen. Ich habe dich immer so sehr geliebt... so sehr." wiederholte sie mit einem seufzen und küsste seine Handfläche. Sie lehnte sich an seine Schulter und hatte den Blick weiterhin auf ihren Schoß gesenkt. Selbst wenn es angenehm war, zusammen zu sitzen und Zärtlichkeiten auszutauschen, fühlte sie noch immer eine innere Distanz. Diesmal jedoch dachte sie, dass die Distanz eher von ihrer Seite aus kam. Sie hoffte, das Gefühl würde irgendwann vorbei gehen. Es war kompliziert und nicht sehr angenehm. "Ich werde auf jeden Fall machen, was du mir gesagt hast. Ich schenke ihm ein paar von meinen Sachen, von denen ich denke er könnte sie mögen. Und Alexej hat bestimmt auch Sachen, die er ihm geben möchte. Aber.. selbst wenn das alles Humbung sein sollte und nicht funktioniert, hilft es uns, uns an ihn zu erinnern. Selbst wenn es für Louis keinen Unterschied machen sollte, für uns macht es einen. Er ist zu jung gestorben, und ich hatte nie die Chance ihn kennenzulernen. Ich möchte so gern daran glauben, dass es einen Unterschied macht und er uns hören kann oder zumindest weiß, das wir an ihn denken... Aber wenn das alles nicht möglich ist, dann ist es zumindest für mich ein Trost, mir vorzustellen das es so ist. Ich habe ein ganz starkes Gefühl, das wir gute Freunde geworden wären. Und mit Freundschaften tu ich mir richtig schwer." Sie seufze wieder. "Eigentlich hasse ich solche Gespräche. Ich rede nicht so gern über meine Gefühle.. oder Sachen von denen ich so gar keine Ahnung habe. Aber jetzt ist es wohl doch passiert.."
"Das war doch gut.." versuchte Lui Area zu beruhigen. Seine Hand rutschte in ihren Nacken, wo er die Finger unter ihre Strähnen schob und somit ihren Nacken erreichte. Sanft streichelten seine Fingerkuppen darüber. "Es ist immer gut, Dinge so auszusprechen, wie sie sich anfühlen. Erst recht wenn du keine Ahnung davon hast. Ich glaube..nur so bekommt man für Dinge, die man nicht versteht ein Gespür. Außerdem...funktionieren sie, wenn man sie ausführt. Egal ob man daran glaubt oder nicht." Er zuckte kurz mit den Schultern. Jedoch nur ganz leicht, damit Area sich immer noch bequem an ihn lehnen konnte."Natürlich sollte man nicht mit jedem darüber reden..aber mit deinen Freunden schon." fügte er noch an, ehe sich sein dunkler Blick im Raum verlor. Seine Finger kraulten dabei noch immer sanft den Nacken seiner Freundin. "Ihr hättet euch sicher sehr schnell angefreundet. Jemand der so offen, frisch und fröhlich ist hätte dich sofort angesteckt. Das macht es dir leichter , jemanden zu vertrauen..so kenne ich dich." Er hatte sich daran erinnert, wie Alexej über seinen Partner gesprochen hatte. Es war nur ein Abend gewesen..aber all die Eigenschaften, die der Künstler dabei aus dem Gespräch gefiltert hatte, passten zu hundert Prozent zu Area. Er erinnerte sich auch daran, dass sie sich -als sie sich damals gekennengelernt hatten- auch für den wilden B.i.o interessiert hatte. Lui glaubte, weil sie selbst immer so unsicher und unglücklich war, brauchte sie jemanden der die Freude in ihr Herz brachte. "Ihr hab beide auch eine Schwäche für Mechs, und scheint euch sehr ähnlich zu sein..ich hätte ihn auch gern kennengelernt." fügte er noch leise an, bevor er seinen Blick auf den dunklen Schopf vor ihm senkte. "Und irgendwann wirst du mir wieder vertrauen können..dann wird auch das Gefühl wiederkommen." versprach er, ehe er den Kopf etwas seitlich neigte. "Vielleicht kann ich dich zum Anfang zumindest für einen Kaffee begeistern? Diesmal lade auch ich dich ein." Lui's Lächeln blieb dabei sanft. Er hatte nur aufgehört Areas Nacken zu streicheln, und kraulte dafür ihr Köpfchen, knapp über dem Scheitel.