Jamie seufzte. Heute war einer dieser Tage an denen ihm einfach nichts gelingen wollte. Er betrachtete noch einen Moment lang geistlos seine Reflektion im Monitor - dann schaltete er den selbigen aus. Einige Momente hörte man noch das leise Brummen, dann gab auch die Lüftung des Computers nach und hinterließ einen angenehmen Moment der Stille. Hastig packte Jamie seine wenigen Sachen zusammen und stopfte sie in die flasche Tasche, die er sich über die Schulter warf, bevor er schon fast fluchtartig das Büro verließ. Er hasste hektische Tage, termindruck und überhaupt alles was sein empfindsames Gemüt aus dem Gleichgewicht brachte. Überhaupt.. er hielt sein alltägliches Leben für eine Zumutung, und eigentlich war er der Meinung, das man ihm einen Orden oder eine Medaille oder irgendwas dafür verleihen müsste, das er überhaupt jeden Tag die selbe Tretmühle antat.. bisher war das aber noch nicht passiert. Manchmal - oft - fragte er sich auch, wie andere das Tag für Tag durchmachen konnten.. Aber genau genommen dachte er nicht jeden Tag so. Nur hin und wieder.. er mochte einfach sein reales Leben nicht besonders. Der Stress allerdings fiel nur zu leicht von ihm ab, wenn er erst einmal zu Hause war, in seinen eigenen vier Wänden und die Welt draußen aussperren konnte. Online fühlte er sich zu Hause. Die Plätze die er dort kennengelernt hatte, das war seine Welt, in der er sich frei bewegen konnte. Lebendiger als die von Regeln und Einschränkungen beherrschten Grenzen, die ihm Leben und Gesellschaft aufzwangen. Er hastete deswegen schon regelrecht durch die Gänge, wobei er im Hinterkopf errechnete, wie viele Kalorien er dadurch wohl verbrannte...
Völlig außer Atem aber einigermaßen glücklich konnte er zehn Minuten später die Tür hinter sich zuknallen. Die Tasche ließ er auf den Boden fallen um in die Hocke zu sinken und die Arme aufzubreiten. "Miezieee!" rief er dabei, weil ein pelziger kleiner Zeitgenosse sich davon nicht verschrecken ließ, sondern vertrauensvoll um seine Beine strich und sich das weiße Fell kraulen ließ. Er kraulte seine Katze hinter den Ohren und bewunderte dabei den schwarzen Fleck auf deren Nase, die so gar nicht zum weißen Fell und der ansonsten rosa Nase passen wollte. Er wusste nicht wieso, aber das niedliche Katzengesicht reizte ihn zum Lachen. "Na, hast du mich vermisst?" wollte er wissen nahm das Schnurren als Bestätigung an. Er trottete deswegen auch in die Küche um erst einmal die Katze zu füttern, welche ihm hastig folgte und letztlich voraus sprang. Die Katze war Jamies große Liebe, konnte man sagen, da sie schon viele Jahre zusammen waren und das niedliche Fellknäuel ihm über schwere Zeiten hinweg geholfen hatte, wie es eben nur Katzen können. Nachdem Jamie also seine Pflicht getan und die zufrieden schmatzende Katze versorgt hatte, trottete er zu seinem eigenen Pc und fuhr diesen hoch, wobei er schon merkte, dass er sich langsam etwas entspannen konnte. Er wollte sehen, ob Mael schon zu Hause und online war.. ein paar Foren checken und ansonsten in sein derzeitiges Lieblings MMORPG einloggen, Lineage II. Was er gerade spielte konnte variieren, da er nicht nur in einem, sondern in mehreren Spielen aktiv war. Aber er hatte viel zu wenig Zeit, sich um alle gleichmäßig zu kümmern. Der Hauptgrund für Lineage war eben vor allem das Mädchen (oder der Junge) den er vor ein paar Monaten dort kennengelernt hatte. Er mochte die Gespräche, in denen er sich nicht gedrängt fühlte zu viel von sich preis zu geben, die Vertrautheit und Ruhe die er darin fand. Kurz gesagt fühlte er sich in seiner Wahlheimat und der Anonymität des Netzes ziemlich wohl. Und gerade jetzt, wo Mael wieder einen neuen Schwarm hatte und es diesmal ernst zu meinen schien, war er froh dass er auch jemanden hatte.. Mael war ihm ein Rätsel, obwohl sie sich so lange kannten. Er war immer gut zu ihm gewesen, seit sie sich kennengelernt hatten. Und das obwohl er zu dem Zeitpunkt noch dick und unbeliebt gewesen war. Mael, der so ziemlich das Gegenteil von ihm war, der sich nichts daraus machte was die Leute sagten; und trotzdem die selben Interessen wie er hatte. Er hätte nicht geglaubt, dass ihre Freundschaft funktionieren würde, aber so war es gekommen. Und wo Mael seine Affairen, Freundschaften und Liebschaften sonst oft schneller wechselte, als man schauen konnte, war die ihre eine Konstante gewesen. Er seufzte und suchte neben seinem Fuß auf dem Boden nach einer Wasserflasche, an der er lustlos nippte. Manchmal war er es müde, ständig Diät halten zu müssen und über alles Buch zu führen, aber auf der anderen Seite war seine Panik so groß wieder zuzunehmen, dass er gar nicht erst in Versuchung kam sich gehen zu lassen. "Mael, wo bist du denn?" brummte er, als er ihn nicht in seiner Kontaktliste entdeckte und stattdessen gezwungen war sich die Zeit anders zu vertreiben. Es konnte ja nicht mehr so lange dauern.